Dienstag, 21. Dezember 2010

Mangelnde Demut


Was lehrt uns Weihnachten? Viele werden antworten, nun, man freut sich, man beschenkt sich, man ist beisammen und läßt sich von Liedern, die jeder Supermarkt die letzten Wochen rauf und runter gedudelt hat, nochmals und glücklicherweise für lange Zeit zum letzten Mal einlullen.

Soweit so gut oder eher schlecht. Die Geburt des Erlösers sollte uns, meine ich, vor allem eines lehren: Demut. Dieser doch etwas altertümlich klingende Begriff faßt aber alles das zusammen, was dem modernen Menschen so grundlegend abgeht. Er wähnt sich im Allbesitz seiner geistigen Kräfte. Nichts scheint im unmöglich, kein Hindernis zu hoch. Die Geschichte erfüllt sich nicht in der Wiederkunft irgendeines Wanderpredigers, der vor zweitausend Jahren Jünger um sich scharte, sondern in der Selbsterlösung des Menschen durch die moderne Technik.

Der gläubige Mensch dagegen, der seine Begrenztheit, vor allem seine Endlichkeit akzeptiert, steht staunend und andächtig vor dem Wunder der Schöpfung, die keine unbegrenzte Spielwiese menschlicher Phantasie ist. Das Kind ist ihm kein Zellhaufen, aus dem eben in diesem Fall ein Mensch, in einem anderen ein Lurch entsteht. Er steht andächtig vor dem unbegreiflichen Wunder, daß uns das Leben schenkt, und das der Welt den Erlöser in Gestalt eines Kindes schenkt.

So hilflos und schutzbedürftig ein Kind ist, so deutlich führt es uns unsere Hilflosigkeit, unsere Schwäche vor Augen. Nicht ein Haar könnten wir aus eigener Kraft schaffen. Umso lächerlicher erscheint die Anmaßung der Life-Science-Technologen und Humangenetiker, die so tun als könnten sie Leben erschaffen, nur weil sie die DNS-Sequenzen entschlüsselt haben. Sie können nur einen Blick in das Wunder der Schöpfung werfen, nichts weiter. Ein Mensch, der sich den Blick durch Selbstuberschätzung noch nicht verstellt hat, müßte in die Knie gehen, so wie die Hirten es vor zweitausend Jahren taten, die auf ihre Weise klüger waren als alle modernen Technokraten.

Sie waren klüger als jene Theologen, die die Tradition von zweitausend Jahren verwerfen, weil sie meinen, "Neues" entdeckt zu haben, und klüger als jene "mündigen" Gläubigen, die bei der Wandlung stehen bleiben, weil ihnen ein selbstverliebter Theologe erklärt hat, man müsse das nicht mehr tun. Die Hirten gingen vor dem Wunder der Inkarnation in die Knie, so wie es Millionen von Gläubigen im Laufe der Jahrhunderte vor dem Wunder der Gegenwart des Herrn im Sakrament des Altares getan haben. Weihnachten sollte uns Demut lehren, und Dankbarkeit dafür, daß der Sohn Gottes Mensch wurde, gerade weil er wußte, wie hochmütig die Menschheit sein kann.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Da beisst sich doch die Katze...


Nicht nur die angeblich buergerliche FAZ, fast alle Mainstream-Medien waren sich einig, dass die Kirche nach den Aeusserungen des Papstes zum Kondomgebrauch nun "in der Gegenwart", ja "in der Wirklichkeit" angekommen waere. Christian Geyer, der in der FAZ regelmaessig mit aehnlich doppelboedigem Geschwurbel glaenzt, meinte gar, der Papst haette wohl in diesem Moment erkannt, "dass nichts so sehr seine Lehrautoritaet gefaehrdet wie das ueberkommene katholische Kalkuel der augenzwinkernden Duldung bei gleichzeitigem Festhalten an lebensfremder Norm".

Diese Art von Opportunismus moegen moderne, zeitgeistige Theologen und Kleriker fuer die angezeigte Art halten, mit dem Glauben umzugehen. Diese Schizophrenie ist aber niemals Sache des derzeitigen Pontifex. Das Glaubensgut kann niemals Gegenstand einer gesellschaftlichen Abwaegung sein, es sei denn, der Papst wolle sich von seinem Auftrag emanzipieren. Die vielbeschworene gesellschaftliche Realitaet kann es auch nicht sein. Andernfalls wuerde sich das Christentum selbst aufgeben. Denn die Kirche lehrt seit Jahrhunderten, dass der Zeitgeist nicht das Mass der Dinge sein kann. Dieses Mass scheint eher mancher deutsche Pfarrer, Bischof oder Pfarrgemeinderatsvorsitzende fuer den rechten Weg zu halten. Die normative Kraft des Faktischen ist ihnen wichtiger als der Wortlaut des Evangeliums. Nach dem Motto: Wir waeren ja schon "weiter", aber Sie wissen ja: Rom..."

Sie wissen aber oder sollten es eigentlich wissen, dass Rom und auch sie selber nicht anders koennen als die Kirche und die Tradition es seit jeher gelehrt haben. Alles andere waere Selbstbetrug, ja Schizophrenie. Man muss sich ohnehin fragen, was die Herren Dauerreformer eigentlich wollen? Einerseits versichern sie, dass das was die Kirche gestern gelehrt hat, heute ohnehin nicht mehr ernst zu nehmen sei. Andererseits belagern sie Rom, verlangen stoerrisch nach Reformen des Ueberlieferten, und freuen sich ueber jedes auch noch so kleine Anzeichen einer Anpassung an den Zeitgeist. Eigentlich koennte es ihnen vollkommen egal sein, ob der Papst den Gebrauch des Kondoms freigegeben hat oder nicht, da die "augenzwinkernde Duldung" ihnen, nicht dem Papst zur Regel geworden ist. Da beisst sich die Katze doch in den Schwanz...

Montag, 30. August 2010

Thilo Sarrazin


Kann das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen noch tiefer sinken? Kann der Tiefpunkt der Diskussionskultur noch unterschritten werden? Es kann bzw. er kann - leider!

Eigentlich hatten wir gedacht, die unsägliche Abrechnung mit einer bekannten Tagesschausprecherin wäre das Menetekel einer Diskussionunkultur, die nicht mit einem Diskussionsgast, sondern nur über ihn redet, weil man nicht mit ihm reden will. Doch gestern nacht bei Beckmann wiederholte sich das überwunden Geglaubte. Der Moderator, der sonst für alles und jeden Verständnis hat, der sich in die Seele jedes Verstörten zu schleichen, zu talken vermag, gebärdete sich als hätte er es mit dem Gottseibeiuns persönlich zu tun. Nur ja kein allzu langes Statement des Verfemten zulassen, nur ja nicht dem Gelegenheit geben sich zu erklären, der sich nicht mehr erklären darf!

Dem Bundesbankier wurde mehrmals das Wort rüde abgeschnitten, Zitate an die Wand geworfen, die er nicht erläutern durfte. Als Sarrazin Zahlen aus der Statistik, die jedem zugänglich sind, nennen wollte, um seine Ansicht zu untermauern, hob der Verständnisvolle die Arme und heuchelte Verständnislosigkeit: "Wer soll das alles noch begreifen?" Das war keine Diskussion, denn das Ergebnis bzw. das Urteil stand schon vorher fest.

Daß das so war, bestätigte ein Blick in die Diskussionsrunde. Da war niemand, der Sarrazin auch nur im Ansatz beispringen konnte, wenn man einmal von Herrn Jogeschwar absieht, der wenigstens die Grundsätze ziviler akademischer Diskussion zu wahren versuchte. Die Äußerungen von Frau Künast, Frau Özkan und dem Hamburger SPD-Vorsitzenden fielen so holzschnittartig und berechenbar aus wie der Regen in England. Und der Brustton der Überzeugung senkte sich auch nicht, als Sarrazin Frau Künast mehrmals nachwies, dies oder jenes niemals so formuliert, gesagt oder geschrieben zu haben.

Ebenso berechenbar war die Zuschaltung einer offenbar aus dem orientalischen Kulturkreis stammenden Soziologin, die prompt und wie zu erwarten feststellte, Sarrazins Äußerungen seien "kontraproduktiv". Genausogut könnte man in einer Diskussion über den Wahrheitsgehalt von Ostfriesenwitzen einen ostfriesischen Experten fragen, was er von solchen Witzen hielte. Er müßte schon sehr viel Humor oder Selbstkritik besitzen, um nicht negativ zu replizieren.

Die türkisch-deutsche Islamkritikerin Necla Kelek besitzt diese Selbstkritik oder sollte man eher sagen die Fähigkeit, die Dinge von einer Metaebene zu betrachten, die das Problem sieht und der Sache dient. Frau Merkel war schnell mit dem Urteil bei der Hand, Sarrazins Thesen seien "nicht hilfreich". Daß sie das Buch Sarrazins nur ebenso oberflächlich bis gar nicht gelesen haben konnte wie Frau Künast störte nicht. Es zählt allein die richtige moralische Gesinnung.

Und hier ist das Problem: man muß Sarrazins Thesen nicht gutheißen, man kann sie aus vollem Herzen ablehnen! Aber man soll dann auch begründen können, warum man seine Thesen ablehnt. Der Gestus der moralischen Entrüstung, die Reduzierung komplexer Thesen auf tabuisierte Begriffe soll bewußt nicht der Wahrheitsfindung dienen, sondern der Aburteilung. Das ist einer angeblich offenen Gesellschaft so unwürdig wie die Tatsache, daß es in einer angeblich weltoffenen Stadt wie Berlin Parallelgesellschaften gibt, in denen Frauen Menschen zweiter Klasse sind.

Sarrazin sagte bei der Vorstellung seines Buches, er sei ein Gestaltungsoptimist und er glaube an den öffentlichen Diskurs. Wer daran nach der öffentlichen Diskursverweigerung der letzten Tage noch glaubt muß ein heilloser Optimist sein.

Freitag, 2. Juli 2010

Die angezählte Regierung


Auf das Drama folgt die Travestie, die Wiederkehr des Gescheiterten im tragikomischen Gewande. Das trifft leider auch auf das zu, was auf das Bundespräsidentenwahldebakel folgte. Bestes Beispiel: die Talkrunde bei Maybritt Illner. Die beiden geladenen Herren der Regierungskoalition taten so als sei eigentlich nichts geschehen. Zwar schwierig, drei Wahlgänge, und dann das noch mit den wahlverweigernden Linken, die eben noch nicht in unserer Republik angekommen wären. Aber im Grunde: man solle sich nicht so haben, ein Ergebnis hätte wir nun, Wulff ist der neue Bundespräsident, und werde ein guter Präsident sein. Übergang zur Tagesordnung.

Daß die Kommentatoren nicht so gnädig waren, ob im In- oder im Ausland, kümmerte die Schönredner nicht. Und die Analytiker und erst recht die Historiker werden erst recht kein Gnade walten lassen. Gnade wolle man, heißt es nun landauf, landab in Union und bei den Liberalen, nur mit den Abweichlern nicht walten lassen - das Wort "Verräter" erstarb ihnen rechtzeitig auf der Zunge: mit jenen Bösewichten, die an Frau Merkel ihr "Mütchen kühlen" wollten. Die ganze machtgesättigte Kaltschnäuzigkeit, der es schon lange nicht mehr um politische Inhalte geht, zeigt sich daran, daß ein Unions-Grande nach dem ersten gescheiterten Wahlgang meinte, die Botschaft hätte man verstanden, nun sei es aber mal gut!

Hätte man die Botschaft verstanden, die ganze aufgestaute Unzufriedenheit der Konservativen und Liberalen in der Koalition mit einer zur Götzin ihrer selbst erstarrten Bundeskanzlerin, für deren Programmatik selbst ein Bierfilz zu groß wäre, hätte man sie wirklich verstanden, hätte man schon früher etwas unternehmen können. Aber man will es nicht oder kann es schon längst nicht mehr. Das ist die ganze Tragik der schwarz-gelben Koalition. Man kann nur noch in maßloser Arroganz nach den Spielverderbern fahnden, die Frau Merkel die Gefolgschaft versagt haben, weil sie noch etwas wie eine eigene Meinung, ein demokratisches Gewissen hatten, das sich dagegen wehrte, das höchste Staatsamt zur Manipulationsmasse "Muttis" verkommen zu lassen.

Erinnert sich in der Union keiner mehr an den Fall Ypsilanti? Der Unmut war damals zu Recht groß, daß die Vorsitzende der hessischen Sozialdemokraten bereit war,mit Unterstützung der Linken den CDU-Ministerpräsidenten Koch aus dem Amt zu drängen. Drei Abweichler verweigerten Frau Ypsilanti die Gefolgschaft, weil sie ihren Kurs aus gutem Gewissen für fatal hielten. Darauf setzte eine Hexenjagd ein, die jeder Gutwillige verurteilen mußte.

Beide Fälle sind freilich nicht zur Deckung zu bringen. Aber sie zeigen etwas Wesentliches: wenn Konzepte fehlen, wenn man eigentlich nicht mehr weiter weiß, und die Macht nur noch verwaltet, aber nichts mehr aus ihr macht, und selbst das Gerede von der Tagesordnung die Unruhe nicht mehr verbergen kann, dann wird der Knüppel ausgepackt. Eine politische Bankrotterklärung, die nach der parteipolitischen Instrumentalisierung dem Amt des Bundespräsidenten zusätzlichen Schaden zufügt. Daß die Regierung und allen voran die Bundeskanzlerin allerspätestens seit diesem Wahldebakel angezählt ist, pfeifen die Spatzen national und international von den Dächern. Aber die Koalitonäre wissen nichts besseres zu tun als frohe Liedlein zu pfeifen...

Mittwoch, 30. Juni 2010

Eine Sternstunde der Demokratie


Nach dem was sich heute im Bundestag abgespielt hat, bedarf es eigentlich keines weiteren Beweises, daß diese Regierung jede Bodenhaftung, jeden Kontakt zum Wahlvolk verloren hat. Man muß sich nicht nach Volkes Meinung richten, man soll als Politiker eine Linie vorgeben, wenn man eine solche als richtig und zukunftsweisend erkannt hat.

Wenn aber eine Regierung, die bisher noch jeden Huster der Tagesmeinung als neueste Erkenntnis verkauft hat, nun einen der ihren ins höchste Staatsamt hievt, obwohl die vox populi eindeutig zugunsten des Gegenkandidaten sprach, und dieser auch noch vor nicht allzu langer Zeit selbst von einer der Regierungsparteien ins Gespräch gebracht worden war, darf man wohl mit Fug und Recht argwöhnen, daß etwas faul ist im Staate Dänemark.

Frau Merkel hätte angesichts ihrer hundsmiserablen Umfragewerte, die ein katastrophales Urteil über das Vertrauen des Wahlvolks in die Parteiendemokratie sind, eigentlich dringendst einem Konsenskandidaten das Wort reden müssen. Zumal Herr Gauck nicht unbedingt das war, was man den idealen Kandidaten der Oppositionsparteien nennt. Als Bürgerrechtler, scharfer Kritiker der DDR-Schönredner und als Mann, der in klaren Sätzen eine im Grunde klassische bürgerliche Weltsicht offenbart, war er ein Kandidat, zu dem sich, wie gesagt, schon einmal die CDU-Schwesterpartei bekennen zu können glaubte.

Daß die Bundeskanzlerin dennoch auf Herrn Wulff bestand, offenbart ihre flagrante politische Kurzsichtigkeit. Sie mißachtet die Lebensleistung eines bürgerlichen Hoffnungsträgers, der das Beste der DDR-Bürgerrechtsbewegung verkörpert. Sie mißachtet den Wählerwillen, der in Internetauftritten und unzähligen spontan gebildeten Unterstützungsgruppen zum Ausdruck kam. Und das alles nur, um innerparteiliche Rechnungen zu begleichen.

Selten ist so kaltschnäuzig das höchste Staatamt, das überparteilich sein sollte, für parteipolitische Taktiererei mißbraucht worden. Angesichts des Vertrauensverlustes der Bürger in die Parteiendemokratie ist jenes Geschlossenheitsgeplänkel und die Sektlaune, die die Regierungsparteien nach der Hängepartie zur Schau trugen, so etwas wie der Tanz auf dem Vulkan. Die Parteien wirken bei der politischen Meinungsbildung "mit", heißt es im Grundgesetz. Daß ihnen die Meinung mittlerweile egal ist, hat sich heute im Bundestag gezeigt.

Samstag, 26. Juni 2010

Die große Verwirrung


In diesen Tagen möchte man eigentlich nur noch die Augen und Ohren verschließen und nichts mehr sehen und hören. Die Zeitungen und Fernsehsendungen überbieten sich gegenseitig in der "Aufdeckung" neuer, schmutziger Details der ach so verdorbenen Kirche. Da hilft nur das, was der Christ, wenn er in Bedrängnis ist, und ganz besonders wenn die Kirche Christi in Bedrängnis ist, seit jeher getan hat - er betet.

Die Kraft des Gebets ist etwas, was dem Bösen in der Seele zuwider ist, denn der, der betet, glaubt fest daran, daß es eine Macht des Guten gibt, die ihm in seiner Pein helfen kann, daß Gott ihn gegen die Mächte des Bösen nicht allein läßt. Daß es das Böse an sich gibt, ist Dogma der Kirche. Unter dem Einfluß modernen Denkens mag dieser Glaube relativiert worden sein, dahin, daß das Böse Ausfluß sozialer Verhältnisse und daher zu bessern sei. Aber gerade heute, da die Kirche einer Hetze ohnegleichen ausgesetzt ist, wird schlagend klar, daß man mit dem Bösen rechnen muß, in der Kirche selbst wie außerhalb.

Auch in die Kirche hat sich das Böse eingeschlichen, in Gestalt jener Priester, die ihre Weihegnaden, ihre Berufung in der schlimmsten Weise verraten haben und damit, wie der Papst gesagt hat, Christus selbst ins Gesicht schlagen. Ihnen den Prozess zu machen, ist nur zu berechtigt. Wenn aber mit Hilfe dieser Frevler die katholische Kirche an sich in Frage gestellt wird, dann zeigt sich die Fratze des Diabolus, des "Durcheinanderwerfers", des großen Verwirrers.

Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, hat heute morgen in seiner Predigt zur Priesterweihe von vier jungen Männern im Freisinger Dom, gesagt, heute käme es darauf an, sich nicht verwirren zu lassen, und treu zu Christus und seiner Kirche zu stehen. Genau das ist es. Diejenigen, die jetzt angeblich in Scharen aus der Kirche austreten, haben etwas Wesentliches nicht verstanden. Die Kirche ist keine Versammlung der Heiligen, es soll aber jeder, der ihr angehört, sich bemühen, heilig zu werden. Wer gefehlt hat, kann auf Barmherzigkeit hoffen, wenn er nur seinen Fehler einsieht und ihn aufrichtig bereut.

Dafür braucht es aber einen klaren moralischen Rahmen, den die Kirche auch eisern verteidigt. Sie kann das schreiende Unrecht, das Schutzbefohlenen angetan wurde, niemals entschuldigen. Daß ausgerechnet eine Gesellschaft, die bereit ist, alles und jedes zu entschuldigen und jede Art verbindlicher Moral als überholt verwirft, nun mit Fingern auf die Kirche zeigt, ist schlicht und einfach reine Heuchelei. Wer sich nicht den Blick vom Rauch der medialen Kirchenfeinde vernebeln läßt, muß klar erkennen, daß die "Aufdeckung" der Mißbrauchsfälle in der Kirche nichts mit Aufklärung, aber verdammt viel mit der diabolischen Absicht zu tun hat, die Kirche als moralische Instanz abzuschaffen. Eine Instanz, die ihre Normen nicht wechselnden Moden, positivistischer Rechtssetzung, einem fortwährenden Plebiszit verdankt, sondern sich auf Gott selbst berufen kann.

Das unterstrich auch der Münchner Erzbischof, als er in seiner Predigt sagte, der Priester sei kein Sozialarbeiter, wie das manche meinen, er vertritt den Herrn am Altar, er soll die Botschaft Christi ohne Abstriche verkünden, und vor allem ohne Angst vor den bösen Mächten dieser Welt, die Christus und seiner Kirche seit jeher übel wollen. Das einzige was an diesem Freudentag der Weihe von vier neuen Priestern etwas traurig stimmt, ist die Tatsache, daß die Diözese von München und Freising gerade in diesen schweren Zeiten nur vier Geistliche in den Weinberg des Herrn schicken kann. Aber woher sollten sie in einer weitgehend gottfernen deutschen Gesellschaft auch kommen? Daß es sie noch gibt, ist Zeichen genug, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden - et portae inferi non praevalebunt adversus eam.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Veranstaltungshinweis: Pfarrer Oberkofler spricht heute abend in Freising über sein Buch "Der Antichrist"


Der Teufel, der Deibel kommt vom antiken Diabolus, dem "Durcheinander-Werfer", dem großen Verwirrer. Das vergangene Jahrhundert wurde Zeuge der allergrößten Verwirrung der Geister, ihrer Einschwörung auf rein diesseitige Erlösungslehren, die allein den Menschen im Mittelpunkt haben und von einer höheren Existenz, von Gott nichts wissen wollen.

In den Menschheitskatastrophen des 20. Jahrhunderts war das Böse sehr konkret geworden, und dennoch scheute sich die Theologie das Böse namhaft zu machen. Die irdischen, menschlichen Verkörperungen des Bösen beherrschten die Presse und Fernsehmagazine, vom Hamburger Nachrichtenmagazin bis zu den Knopp'schen Geschichtsdramen. Das Böse war irdisch und weltlich geworden wie die Theologie, die sich immer mehr von soziologischen Begriffen leiten ließ. Das Böse sei ein Ausfluß des Sozialen, und mit dessen Verbesserung zu beseitigen.

Die heilige Schrift weiß es besser, und sie allein kann den Menschen aus seiner fatalen Ich-fixiertheit befreien. Die immanentistischen, anthropozentrischen Befreiungslehren, die auch nach dem Kollaps der modernen Groß-Ideologien nicht tot sind, geben dem Menschen keine Antwort auf die großen Fragen seines Lebens: woher komme ich, wohin gehe ich, wie lebe ich recht, um dereinst weiterleben zu können? Sie machen ihm nur Hoffnung auf ein angeblich glückliches Leben hinieden, eine Hoffnung, die in letzter Instanz trügerisch ist, weil sie das Wesen des Menschen verfehlt.

Das menschliche Wesen hat Teil an Gottes Existenz - Gott ist schließlich Mensch geworden - er trägt aber auch die Tendenz zum Bösen in sich. Da der moderne Mensch, und leider auch die moderne Theologie, aber mit dieser Größe nicht mehr rechnet, steht sie hilflos vor aktuellen Entwicklungen. Die Selbstvergötzung des Menschen hat heute angsterregende Ausmaße erreicht. Sie geht buchstäblich über Leichen und kennt keinerlei Skrupel, den fertigzumachen, der sich dieser Abkehr von der Wahrheit, die in Gott ist, entgegenstellt - siehe die geifernden Angriffe auf den Papst. Sie hat sich selbst in die Kirche eingeschlichen, wie die Reaktion der "Brüder im Bischofsamte" auf die Forderung Mixas nach Rehabilitierung beweist: daß dieser sich in psychiatrische Behandlung begeben habe, sei ein erster, wichtiger Schritt. Perfider und böser kann man einen Menschen medial nicht hinrichten!

Der Münchner Pfarrer und promovierte Theologe Friedrich Oberkofler hat ein luzides Buch zu diesem Themenkomplex geschrieben, der viel zu sehr vernachlässigt wurde. Anhand des großen englischen Kardinal Newman, der das zerstörerische Werk des Antichristen für seine Zeit beschrieben hat, versucht Oberkofler dies für unsere Zeit und kommt zu erhellenden Einsichten. Ein höchst lesenswertes Buch, das er heute abend in Freising vorstellen wird.

Ort: Gasthaus zur Gred, Beginn: 20 Uhr.

Dienstag, 15. Juni 2010

Amerikanische Benediktinerinnen


Die monastische Tradition im christlichen Europa schwächelt genauso wie jenes "ehemals christliche Europa" - zu diesem für manche vielleicht erschütternden Satz braucht es eigentlich nicht viel Einsicht. Man braucht nur die Augen aufzumachen. Die Eintrittszahlen sind katastrophal niedrig, die Überalterung erschreckend, und viele Klöster halten sich nur noch mit Wellness, Joga und inter- und areligiöser Esoterik über Wasser. Man sollte eigentlich langsam erkennen, daß die von den Funktionärskatholiken immer noch gefeierte Öffnung, die Anpassung an die Zeit nichts gebracht hat.

Vor kurzem hat die letzte verbliebene deutsche Trappisten-Abtei Mariawald einen großen Schritt gewagt - zum erwartbaren Mißvergnügen des Ortsbischofs - und hat nicht nur die alte, überlieferte Messe wieder eingeführt, sondern auch eine Annäherung an die alte Disziplin begonnen. Und siehe da: die Interessenten stellten sich selbst für die dem durchschnittlichen Mitteleuropäer kaum mehr zumutbare Lebensweise der Trappistenmönche ein!

Die neue Welt ist uns verklemmt am Neuen und Neuesten klebenden deutschen Katholiken in dieser Hinsicht ohnehin längst weit voraus. Vor kurzem legten in Kansas City die Benediktinerinnen des Ordens "Queen, Mary of the Apostles" ihre ewigen Gelübde ab. Und nun kommt's: Der Orden ist nicht etwa 1870 oder 1905 gegründet worden, sondern 1995, vor 15 Jahren in Pennsylvania! Und im Unterschied zu Deutschland, wo die Bischöfe jedem, der auch nur ein Wörtchen Latein kann, unterstellen, er wolle die Kirche ins Mittelalter zurückbeamen, hatte der Bischof von Kansas City-St. Joseph, Seine Exzellenz Robert W. Finn, den Orden 2006 hochoffiziell in seine Diözese eingeladen.



Sie ließen sich nieder und gediehen. Vor allem weil die Schwestern nicht bei jeder Gelegenheit beweisen wollen, daß sie auch von "dieser Welt" seien, daß "auch sie" selbstbewußte Frauen seien. Sie sind es und sie wissen, daß es der weiß, der allein zählt, und dem sie ihr Leben geweiht haben. Auf ihrer Webseite [www.benedictinesofmary.org] beschreiben sie ihren Orden als "traditional monastic community of women who desire to imitate the Blessed Virgin Mary in the giving of herself to God to fulfill His Will, especially in her role of assistance by prayer and work to the Apostles, first priests of the Catholic Church".

Sieht man sich die fröhlichen Gesichter der zahlreichen jungen Schwestern an, weiß man wieder, daß die Zukunft der Kirche ihre Tradition ist - das was gestern, heute und immer gilt...

Montag, 7. Juni 2010

Zur Abwechslung etwas Schönes


(George B. Shaw, Hilaire Belloc und Gilbert K. Chesterton)

Im schrecklichen Angesichte der galoppierenden Staatsverschuldung, der "Hauptsache-ich-bin-im-Amt"-Mentalität unserer Bundeskanzlerin und der realitätsverweigernden Flucht in den lästerlichen "Fußball-Gott-Wahnsinn" ist es höchste Zeit, sich dem Guten, Wahren und Schönen zuzuwenden.

Der gestern in einer bewegenden und erheiternden Feier geehrte Großkritiker Reich-Ranicki meinte in seiner Dankesrede, er schätze gerade die polnische Lyrik, was ihm die polnischen Literaturkritiker wiederum verübeln würden, weil er damit die polnischen Romane - "die tatsächlich nicht gut sind" (Reich-Ranicki) - stillschweigend aburteilen würde. Der Kommentator setzte nach und erwähnte die deutsche literarische Avantgarde, der es nie gefallen hätte, daß Reich-Ranicki das Verständliche und Intelligente dem Verquasten, Möchtegern-Intellektuellen stets vorgezogen hätte.

Das Verquaste, Prinzipienlose, die Flucht auf Nebenschauplätze mag vorherrschen im hier und heute. Umso mehr seien die geschätzt und hochgelobt, die das Schöne und zugleich Wahre in Sätzen oder Versen von zeitloser Schönheit auszudrücken verstanden und verstehen. Der Anfang sei hier mit zwei kurzen Gedichten des großen und heute leider viel zu selten zitierten katholischen Engländers Hilaire Belloc gemacht. Nicht nur das erzählende und essayistische Werk dieses Zeitgenossen und Bruders im Geiste von Gilbert Keith Chesterton ("Pater Brown") ist großartig, auch seine tiefen und oft genug zugleich heiteren Verse.

A Trinity

Of three in One and One in three
My narrow mind would doubting be
Till Beauty, Grace and Kindness met
And all at once were Juliet.

The Catholic Sun

Wherever the Catholic sun doth shine,
There’s always laughter and good red wine.
At least I’ve always found it so.
Benedicamus Domino!

Dienstag, 1. Juni 2010

Katholiken für Israel


Der altgediente Großmeister des weltpolitischen Journalismus, Peter Scholl-Latour, vermerkte in seinem Frankreich-Buch einen Gedanken, der ihm im Gespräch mit französischen Adeligen und Résistance-Veteranen nach dem Ende des Weltkrieges kam, und der leider nach wie vor aktuell klingt. Der Haß auf das jüdische Volk speise sich, so Scholl-Latour, aus dem alten Haß auf das Volk, aus dem die Muttergottes hervorging und das uns den Erlöser schenkte. Die Kräfte des Antichristen müßten dieses Volk hassen und verfolgen, weil mit ihm die Kirche, das Christentum, die Erlösung in die Welt kam.

Henryk Broder, ein anderer großer Hellsichtiger unserer Tage, meinte mit Blick auf das nach wie vor angespannte Verhältnis der Deutschen zu Israel, Broder-typisch zugespitzt, sie könnten einfach den Juden den Holocaust nicht verzeihen.

Es gibt eine Art, mit den Problemen Israels bzw. mit dem "Problem Israel" umzugehen, die sich rational nicht erklären läßt, die auf tieferliegende Affekte deutet. Andernfalls würde nicht nach jedem Vorfall sofort, ja reflexartig auf Israel als dem Schuldigen gezeigt werden. Die Meldung über die Aktion des israelischen Militärs gegen die "Hilfslieferungen" waren kaum über den Äther, schon waren Politiker rund um den Globus bestürzt, schockiert, es wurde verurteilt und von einem grundlosen Angriff orakelt, wie es der Präsident des Europaparlaments, Jerzy Buzek, tat. Daß die arabischen Staaten, die Türkei und natürlich die Palästinenser die Erregungskurve nach oben trieben, liegt im politischen Kalkül. Von großtürkischen Politikern und radikalislamistischen Hamas-Funktionären kann man kein Verständnis dafür erwarten, daß Israel jede Versorgung mit Lebensmitteln und eben auch Waffen mit allen Mitteln unterbinden wird, solange die Attacken auf israelisches Staatsgebiet anhalten. So hart die Lage im Gaza-Streifen sein mag, es gibt keine Indizien, daß Israel dessen Bewohner verhungern lassen wollte. Es ging einzig und allein darum, Israel in den Rücken zu fallen.

Und daran sind ausgerechnet Politiker der deutschen Linken beteiligt, die keine Skrupel kennen, die zweite deutsche Diktatur bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu relativieren, sich mit stolzgeschwellter Brust zu ihrem kleinbürgerlichen Atheismus zu bekennen und jeden, der nicht ihre Meinung teilt, als Faschisten zu verunglimpfen. In Israel sei ja auch ein "klerikal-faschistisches Regime" an der Regierung. Die Zitate von Broder und Scholl-Latour kommen einem da unwillkürlich in den Sinn.

Das sind die Leute, die angeblich nur eine humanitäre Aktion zugunsten der geknechteten Palästinenser organisieren wollten. Die geknechteten Palästinenser sind diesen Leuten vollkommen gleichgültig. Sie sind nur Mittel zum Zweck. Israel steht für sie für alles das, was ihnen in der Seele zuwider ist: die jüdisch-christlich verfasste westliche, freiheitliche Zivilisation, die obendrein die imperialistischen Vereinigten Staaten unterstützen. Daß das Modell Israel, so kritikwürdig es im einzelnen auch sein mag, immer noch tausendmal besser ist als die Alternativen der Nachbarstaaten Israels, kommt ihnen in ihrer Verblendung nicht in den Sinn.

Montag, 31. Mai 2010

Bekennermut vor Königsthronen


Wer kennt sie nicht, die Geistlichen, die nicht als solche zu erkennen sind, die lieber in Anzug und Krawatte oder mit einem verschämt auf dem Kragen getragenen kleinen Kreuz daherkommen? Das sind diejenigen, die sich bei jeder Gelegenheit auf das zweite Vatikanum berufen, obwohl das ohne wenn und aber die Priester daran erinnert hat, als Geistliche auch an ihrer Kleidung erkennbar zu sein.

Diese Kleidung soll sie als Anprechpartner der Suchenden erkennbar machen, und vor allem Zeichen in einer Welt sein, die die Botschaft Christi und seiner Kirche gerne weit an den Rand verbannen würde - Hoffnungs- und Widerspruchszeichen in einem. Macht euch nicht dieser Welt gleich, spricht der Völkerapostel Paulus. Viel eher scheint die Furcht im Klerus vorzuherrschen, sich den Kräften der vielgeschmähten "Tradition" gleichzumachen. Ein junger Geistlicher, der die Soutane demonstrativ abgelegt hatte und auch keinen römischen Kragen mehr zu tragen bereit war, entgegnete auf den Einwand des Schriftstellers Julien Green, die Soutane würden nur Integralisten tragen. Green vermerkte in seinem Tagebuch, wobei man das Kopfschütteln deutlich mitlesen kann, das sei das Kleidungsstück gewesen der Märtyrer und Heiligen.

Diese waren noch zum Zeugnis bereit, nicht nur durch das Wort, sondern auch durch ihre schlichte Existenz, die niemandem verborgen bleiben sollte. Die freiwillige Ehelosigkeit ist ebenfalls ein Bekenntnis zur höheren Ordnung, die deshalb auch angefeindet wird. Der Priester soll nicht mehr Diener der ewigen, sondern der zeitlichen Ordnung sein, ein Sozialarbeiter, Gemeindevorsteher, Bibelkreisleiter und Pfarrnachmittagsorganisator, der ab und an etwas zur Ungerechtigkeit in der Welt sagen darf.

In der politischen Rhetorik der ehemals christlichen Unionsparteien ist dieses Immanenzgehabe bei weitgehender Transzendenzblindheit ebenfalls längst angekommen. Nicht anders kann man sich die Meinung des CDU-Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz erklären, der vor kurzem meinte, der Zölibat hätte zwar mit Mißbrauch nichts zu tun, aber die Bevölkerungsmehrheit sehe bzw. fühle dennoch einen Zusammenhang. Die Kirche könne Vertrauen nur zurückgewinnen, wenn sie den Zölibat fallenließe.

Damit ist mit wenigen Worten nicht die Malaise der Kirche, sondern einer Umfragen-gesteuerten Unionspolitik beschrieben, die nicht mehr treibend, sondern nur noch getrieben ist. Angst vor ihrer eigenen Tradition, hechelnde Anbiederung an den Zeitgeist, Mitte-Huberei ohne jedes Profil. Der Priesterkragen ist ein eindeutiges Gegensymbol gegen die Gesinnungslosigkeit. Und diejenigen, die heute Priester werden, bekennen sich in wachsender Zahl auch in der Kleidung zu ihrem Glauben und ihrer Mission. Das verschämt-naive "ich bin ja katholisch, aber weltoffen" oder "die Union ist ja gar nicht konservativ", gehört hoffentlich bald ebenso der Vergangenheit an wie der weiße Hemdkragen über schwarzem Pullover...

Sonntag, 23. Mai 2010

Der pfingstliche Geist aller Zeiten


Heute schreien sie wieder, wie sie so oft in der Geschichte schon geschrien haben - die Kirche müsse sich wandeln, sich "reformieren", mit der Zeit gehen. Die üblichen, bis zum Überdruß durchgehechelten Forderungen folgen umgehend. Der Zölibat sei nicht mehr zeitgemäß, die Morallehre der Kirche müsse auf den Prüfstand, überhaupt hätte die Kirche jene glückvolle Öffnung zur Welt, die angeblich das letzte Konzil erklärte hätte, endlich konsequenter zu praktizieren - so als hätte es keine Missionsorden, keine Jesuiten, die nach Indien und China gingen, keine barmherzigen Schwestern und all jene Katholiken nicht gegeben, die an ihrem Platz, in ihrer Welt die frohe Botschaft verkündigt haben.

Sie verkündigten ihn im Geist aller Zeiten, jenem der heiligen Schrift und der ewigen Tradition der Kirche, nicht in jenem Geist, dessen Verfallsdatum schon morgen überschritten sein kann. Der Geist von heute oder morgen gibt keinen Halt. Wenn wir nur ihn hätten, wären wir ein Spielball wechselnder Mächte. Genau das ist es, was jene Mächte wollen - der Christ war diesen schon immer verdächtig, weil er sich nicht für das Heutige, Moderne, Beliebte einfach begeistern läßt, weil es heutig, modern und beliebt ist. Daher der zorngerötete Kampf der roten und brauen Barbaren gegen das katholische Christentum, die nicht derart leicht auf die Lehren nationaler Potentaten festzunageln waren, sondern eher auf das übernationale Rom hören wollten.

Will man wissen, wie das Zeitgeistige im Religiösen aussieht, wenn man es konsequent zu Ende denkt, braucht man sich heute nur den Zustand der Evangelischen Kirche Deutschlands anzusehen. Jede neue und oft schon sehr alte, längst widerlegte Flause des Zeitgeistes wird zum Wehen des heiligen Geistes erklärt - siehe jene unsägliche Anbiederung der Frau Käßmann im Münchner Liebfrauendom an Pharmaindustrie und die grau gewordenen pressure groups des Feminismus um jeden Preis.

So ist mit Kirche höchstens Staat zu machen, aber der Berufung des Christlichen nur ein Bärendienst zu erweisen. Diese Berufung haben gerade jene klar und deutlich erkannt, die den Zeitgeist des vergangenen Jahrhunderts in seiner schlimmsten Form erleben mußten. Der russische Adelige Ivan von Kologrivov, der lange genug lebte, um die rote Diktatur mit ihrer mörderischen Weltverbesserungslehre und deren braune Verwandte zu erleben, widmete sein Buch "Das Wort des Lebens" seiner "unvergeßlichen, in Gott verewigten Zarin, am 16./17. Juli 1918 in Jekaterinburg ermordet". In diesem Buch schreibt er:

"Es genügt, das Wort vom Geist und die Form vom Inhalt zu trennen! Wer nicht weiß, was Sünde und Erlösung ist, wem Jesus von Nazareth nicht Gottes Sohn ist, von Ewigkeit zu Ewigkeit, wer in der Kreuzigung nur eine bedauerliche und eigentlich überflüssige Hinrichtung sieht und nicht weiß und glaubt, daß hier die Substanz der Schöpfung von Sünde und Tod gereinigt wurde, wer denkt, daß es nur um soziale Güte, um menschliche Tugend geht und nicht um das ewige Leben, um die Teilnahme am Leben Gottes, dem ist das Christentum eine bloß geschichtliche Erscheinung, die dazu noch ihr Alter und ihren Ursprung gegen sich hat: "eine Religion" neben anderen. Es ist nicht die ewige Wahrheit, die Offenbarung Gottes, die in Jesus geschehen ist."

Diesen überzeitlichen Stachel will man auch heute der Kirche wieder nehmen. Der Streit um Zölibat und scheinbar periphere Lehrfragen erscheint nur auf den ersten Blick als Nebenkriegsschauplatz. Er zielt ins Herz der Kirche und des christlichen Glaubens.

Montag, 17. Mai 2010

Der Ichling von Oberammergau


Der katholische Zeitkritiker Erik von Kuehnelt-Leddihn prägte zwei sehr eigene Begriffe, um die Mailaise der Modernen auf den Begriff zu bringen - die "Ichlinge", die ihre begrenzte Weltsicht zum Maßstab machen, und die "Ibkas" - "Ich bin katholisch, aber..."

Diese Begriffe können einem in den Sinn kommen, wenn man das derzeitige Treiben im schönen Oberammergau verfolgt. Die Vorväter der heutigen Darsteller leitete noch das Gelübde, das man vor dem Herrgott abgelegt hatte, nicht die Selbstverliebtheit eines Münchner Volkstheater-Regisseurs. Das Gelübde sei nur "historischer Background", ein "netter Glaube", eine "schöne Geschichte", die heute keiner mehr nachvollziehen könne. Diese Geschichte, das Passionsspiel, werde nur weiterbestehen, meinte Stückl, "wenn wir uns darum immer wieder raufen", "wenn wir versuchen, [es] neu zu erzählen".

So spricht der Herr des modernen Regietheaters auch, wenn er Lessing, Kleist oder Kroetz inszeniert. Ein Passionsspiel verlangt aber mehr, möchte man meinen. Stückl wehrt sich dagegen, Jesus auf den Leidenden zu reduzieren - "Man darf Jesus nicht reduzieren." Stückls Rede von "Jesus" ist schon Reduktion, weil sie den Christius ausblendet, den Auferstandenen, der, der uns von Sünde und Tod erlöst hat. In Stückls Passions-Inszenierung ist auch mehr vom "menschlichen Umdenken", zu der Jesus aufgefordert hätte, von den "Ideen" die Rede, die Jesus, so Stückls Meinung, ans Kreuz gebracht hätten. Die Opfertheologie, die Grundlage der Erlösung ist - Christus starb stellvertretend für unsere Sünden am Kreuz - beseitigt Stückl mit einem Federstrich: "Ich glaube nicht an einen Jesus, den der liebe Gott - das lieb sei schon in Frage gestellt - auf die Erde schickt, damit er geschlachtet werden kann - und durch dieses Schlachtopfer soll dann die Menschheit befreit sein."

Mit wenigen Worten schiebt Stückl alles beiseite, was das Gelübde der Oberammergauer vor mehr als dreihundert Jahren ausmachte, was Kern der Passionstheologie und Dogma der Kirche ist. Und der offiziell für die Passionsspiele bestallte Theologe und auch der Münchner Erzbischof nicken dazu. Der eigentliche, der historische Jesus sei der Wesentliche, erklärt Stückl. Er könne nur den Menschen darstellen, alles andere, der Verweis auf das Göttliche sei einfach nur Behauptung, reine katholische Eitelkeit, die sich gegenüber anderen schon auf der sicheren Seite wüßte.

Das hat mit Aktualisierung, mit Neubelebung des Gelübdes, wie der emeritierte Pastoraltheologe und Berater der Passionsspiele, Ludwig Mödl, meint, nichts mehr zu tun. Das ist auch keine Neuerfindung mehr, das ist offene Verfälschung, die die alten, lebten sie denn noch, als solche erkennen würden, und gegen die sich stellenweise auch heute Widerstand unter den Oberammergauern regt. Aber was vermag solcher Protest gegen das feministische Gerede Stückls von den starken Frauen, die mehr Mut bewiesen hätten als die Männer? Der zeitgeistige Ehrgeiz wird nachgerade lächerlich, wenn eine Frau Pilatus die Geißel aus der Hand reißen und sagen darf, er solle aufhören. Stückl findet das "total gut". Auch daß die Dan-Brown-Mär von der Liebesbeziehung zwischen Jesus und Maria Magdalena spielerisch angedeutet wird, oder daß eine verheiratete Frau heute die Muttergottes spielen darf.

1990, als das erstmals geschah, hätten gerade die Frauen am meisten geschimpft, was Stückl befremdet hätte. Für diese Frauen war damals das Passionspiel noch Ausdruck des Gelübdes, kein reines Theater. Es war die Anstrengung eines ganzen Dorfes, das Opfer Christi am Kreuz so weit wie irdisch möglich nachzuvollziehen, um sich damit das Wohlgefallen Gottes zu erwerben. Heute ist es tatsächlich, wie Stückl meinte, ein "soziales Event" geworden. Dazu passt auch, daß vor der Premiere ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert wurde statt einer heiligen Messe, in der das, was auf der Bühne später gezeigt wird, tatsächlich, wenn auch in unblutiger Weise stattfindet. Unter Stückl ist das Spiel immer mehr reines Theater geworden, womit Kritik an theologischen Irrwegen, populistischem Feminismus oder Muslimen, Protestanten und aus der Kirche Ausgetretenen, die am Spiel mitwirken, obsolet geworden ist - so obsolet wie das Gelübde.

Freitag, 14. Mai 2010

ÖKT und die große Seelenmassage


Der Schriftsteller Martin Mosebach ist der lebende Beweis dafür, daß es trotz all der geifernden Papstfeinde, aufgekratzten Kirchen-von-unten-Funktionäre und ewigen Reformsalbader noch Menschen gibt, die sich ihren Sinn für das Katholische bewahrt haben. In einem Interview mit dem Magazin einer (nur nach der Auflage) großen süddeutschen Zeitung meinte er, ihm gehe der Ökumenische Kirchentag schon deswegen gegen den Strich, weil "Kirche nichts von einem Wellnessausflug haben darf".

Der bayerische Ministerpräsident, die Bundeskanzlerin und auch der ehemalige EU-Parlamentsvorsitzende Poettering waren anderer Meinung. Vom Kirchentag gehe ein Glaubenssignal aus - so der CSU-Chef auf dem Kirchentagsempfang von CSU und CDU am vergangenen Freitag. Nach Diktatur und Krieg hätten sich die deutschen Christen in "ökumenisch verfassten Parteien" zusammengefunden, weil sie eingesehen hätten, daß die Zeiten des Konfessionellen vorbei wären. Man frage einmal Adenauer, ob er sich als Chef einer "ökumenischen" Partei gesehen hätte oder nicht vielmehr einer überkonfessionellen, was einen gewaltigen Unterschied ausmacht.

Denn im Unterschied zur selbst protestantisch alles andere als gefestigten aktuellen Bundeskanzlerin war sich der katholische Adenauer und dessen protestantische Parteikollegen ihres Glaubens sicher. Der Glaube war für sie kein beliebiges Werte-Einerlei, das man in einem gemeinsamen Topf kräftig umrührt, damit dann das, was die Kanzlerin als Kernbestand des Christlichen beschrieb, herauskäme - Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit.

Das Katholische bzw. Christliche wird auf einen weltlichen Gestaltungsauftrag reduziert - Mitmenschlichkeit, Nachhaltigkeit, Friede, Freude, Eierkuchen. So kann dann selbst die mittlerweile nicht mehr allzu christliche Politik der Unionsparteien das Christliche prägen, wie die Kanzlerin in gewohnter Platitüdenhaftigkeit meinte. So schön und wichtig das alles ist, verfehlt es doch das Wesen der christlichen Botschaft, die ohne das Transzendente eine Jungfrau ohne Kopf ist.

Freilich, nichts fürchtet der zeitgeistige Christ und Politiker mehr als für nicht weltlich, für fromm, also weltfern gehalten zu werden. Man müsse sich einmischen, man dürfe die Menschen nicht auf das Jenseits vertrösten, schallt es monoton auch aus den Pressestuben der Bischofspalais. Die Weltverliebheit, das Wellness-hafte, das ewige Wohlgefühlige, das wird vom Ökumenischen Kirchentag übrigbleiben, kein Glaubenssignal. Denn die Dauerfröhlichkeit, das "Sektenlächeln", von dem Mosebach spricht, hat mit dem wahren Wesen des Glaubens und der Kirche, mit dem Ernst der Entscheidung, vor der wir im Angesicht der ehrfurchtgebietenden Größe, aber auch der Barmherzigkeit Gottes stehen, nichts zu tun.

Mittwoch, 12. Mai 2010

ÖKT und andere Verwirrungen


Wenige Stunden bevor sich der Vorhang über dem religiösen Großereignis hebt ließ sich der evangelische Landesbischof vernehmen. Man sei hoffungsfroh, denn die Gemeinsamkeiten zwischen den Konfessionen seien doch groß. Den Menschen von heute seien die konfessionellen Unterschiede ohnehin nicht mehr zu erklären.

Hat man es denn versucht? Oder liegt das Problem nicht eher darin, daß man sich mittlerweile weniger als geistlichen Faktor, als Kirche denn als sozialpolitische Organisation sieht. Die Unterschiede müsse man begraben, so der Landesbischof, ansonsten werde man gesellschaftlich nicht mehr wahrgenommen. Die Kirche nicht als Heilsvermittlungsinstanz, sondern als weltliche Sinnvermittlungsagentur, die aus Tradition noch gewisse Transzendenzen mitschleppt.

Kein Wunder, kann man nur sagen, daß die Hirtenworte der Bischöfe ob protestantischer oder katholischer Couleur immer mehr nach den Programmpapieren der Bundespolitiker klingen. Man müsse mehr auf den sozialen Ausgleich achten. Der Staat dürfe nicht über seine Verhältnisse leben. Die Umwelt dürfe über allem Gewinnstreben nicht vergessen werden, usw. usf.

Die Politiker, die dafür gewählt sind, verlieren sich schon in allgemeinem Phrasendreschen, ohne daß ihnen der Wähler noch zutraut, etwas voranzubringen. Und nun verlegt sich auch noch das Kirchenpersonal, das niemand dafür gewählt hat, auf ein Feld, auf das sie nur begrenzten Einfluß haben, und läßt das im Stich, was ihre Kernkompetenz ist.

Aber diese Kernkompetenz sei ja nur Theologengezänk, das der heutige Mensch nicht mehr nachvollziehen könne. Man hört's und ist erstaunt. Daß Luther die römische Kirche angeklagt hatte, sie verfehle den Sinn der Heiligen Schrift, den die neue, protestantische Bewegung wieder freigelegt und damit den Menschen befreit hätte - davon kein Wort. Daß die Protestanten sich vom Heil entfernt haben, weil sie die Kirche, wie sie der Heiland wollte, ablehnen - davon hört man auch von den katholischen Bischöfen kein Wort mehr. Denn schließlich zählt viel mehr, daß man noch gesellschaftlich positioniert ist.

Kein Wunder, daß die Leute der/den Kirche(n) den Rücken kehren. Wer so mit seinem heilsgeschichtlichen Auftrag umgeht, den er noch vor kurzem mit aller Verve verteidigt hat, darf sich nicht wundern, wenn er unglaubwürdig wird - der selbstgemachte Abstieg von der alleinseligmachenden Lehre zur Parteimeinung.

Sonntag, 9. Mai 2010

Biedermänner und BrandstifterInnen


Wer nicht merke, daß die Massenmedien momentan eine Kampagne gegen die Kirche führen, der hätte Tomaten auf den Augen - so der Papst-Biograph und Bestseller-Autor Peter Seewald. Die Massenmedien wollen davon natürlich nichts wissen. Sie würden ja nur der Aufklärung dienen, so das scheinheilige Gerede der Biedermänner.

Wer die krassen Einseitigkeiten der Berichterstattung kritisiert, sieht sich schnell ins Aus gedrängt. Der ehemalige Sprecher Mixas, Dirk Hermann Voß, hätte in der "Katholischen Sonntagszeitung" ein "verquastes Rückzugsgefecht" geführt. Solchen konservativen Apologeten, die Mixa "weiter als Opfer einer Medienkampagne" verteidigten, stünden die Gläubigen gegenüber, die auf erhellende Antworten aus dem Domkapitel warten würden, heißt es in einem Kommentar einer großen süddeutschen Zeitung vom Wochenende.

Darauf brauchen die nicht mehr zu warten. Den Stab hat die Zeitung längst gebrochen. Die Überschrift eines Artikels lautet denn auch "Nun noch ein Verdacht auf sexuellen Mißbrauch" - so als wäre das Sündenregister schon lang genug. In den folgenden Artikeln verschwimmt der Verdacht unter der Hand zur Gewißheit. Diese Art journalistischer "Aufklärung" wird noch verschlimmert durch die Illoyalität und Selbstgerechtigkeit manches Klerikers, der nichts bessers zu tun weiß als seinen schon am Boden liegenden Oberhirten noch zu treten.

Von "unseligem Treiben" redet ein "Moraltheologe" von der Universität Augsburg. Eine Rückkehr Mixas läßt in einem Artikel zitierte Pfarrer "frösteln", denn dann ginge die Abstimmung mit den Füßen weiter: "Wir verlieren so viele Gläubige, dass wir unsere Sonntagsgottesdienste dann nur noch in der Seitenkapelle abhalten können". Was einen wirklich frösteln läßt ist die unchristliche Selbstgerechtigkeit, die aus diesen unerleuchteten, überheblichen Worten spricht. Für diesen Klerus ist es scheinbar besser, mit der Meute zu heulen, wenn man nur als geduldetes Anhängsel einer kirchenfernen Gesellschaft im Kirchenschiff bleiben darf.

Ob Mixa schuld ist, daß seine Schuld noch erwiesen werden müßte, daß das Verfahren erst eingeleitet wurde - das spielt alles keine Rolle. "Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet!" Daß eine kirchenfeindliche Medienmeute kein gutes Wort für einen Kirchenmann findet, der der modernen, verblendeten Gesellschaft, deren Sprachrohr diese Medien sind, immer wieder ins Gewissen redete, kann nicht verwundern. Aber daß aus den eigenen Reihen aus kleinlichsten Motiven geschossen wird, das ist und bliebt eine Schande.

Es kann auch niemanden verwundern, daß die ewig Kirchenbewegten, die "Kirchen-von-unten"-Krakeler und "Wir-sind-Kirche"-Hobby-Häretiker und die permanenten Gesellschaftsveränderer sich in unterirdischsten Anwürfen überbieten - nur der hysterische, maßlose Tonfall macht frösteln. So hatte doch die Grünen-Bundesvorsitzende Roth, die Mixa schon als "durchgeknallten Fundi" beschimpft hatte, die Stirn, von "einer nicht für möglich gehaltenen moralischen Verkommenheit und bodenlosen Scheinheiligkeit" zu reden - mit der Einschränkung, "wenn sich die jetzt erhobenen Vorwürfe" bestätigen würden. Das sagt ausgerechnet die Vorsitzende eines politischen Vereins, der jede moralische Verkommenheit vom Ruch des gesellschaftlich Anstößigen befreien will und das auch über weite Strecken geschafft hat.

Christian Weisner von "Wir sind Kirche" meinte in maßloser Selbstüberschätzung entsprechend dem anmaßenden Titel seiner "Reformbewegung", der gegen Mixa erhobene Verdacht sei "eine schockierende Nachricht". Sie werfe "dunkle Schatten auf die gesamte katholische Kirche in Deutschland". Hans-Ulrich Jörges vom "Stern" hatte unlängt von der Kirche als einer Verbrecherorganisation gesprochen. Peter Wensierski vom "Spiegel" hatte gefragt, wie lange der Staat sich noch eine fundamentalistische, Rom-ergebene und rückwärtsgewandte Kirche, wie sie sich der derzeitige Papst vorstelle, leisten wolle.

Das sind, wenn es nicht so platt wäre, die alten Parolen der uralten, verstaubten, aber heute wieder taufrischen "Los-von-Rom"-Bewegung, die fatale Jünger hatte. Gemeinsam ist ihnen allen der Haß auf eine Institution, die die ewige Wahrheit gegen den immer wieder auftretenden Wahn des Zeitgeistes verteidigt. Zu diesem Wahn gehört die flagrante Selbstgerechtigkeit, die jemanden schuldig spricht, nicht weil er schuldig wäre, sondern weil seine Ideen mißliebig sind. Das macht wahrhaft frösteln...

Sollte Mixa freigesprochen werden, wird sich irgendwo ein kleiner Eintrag im hinteren Teil jener Zeitungen finden, denen kein Grund zu billig war, einen verdienten Menschen, weil er Kirchenmann ist, öffentlich hinzurichten. Der Augsburger Diözesanratsvorsitzende Helmut Mangold, der freilich auch vorauseilend "schockiert" war, sagte richtigerweise: "Unabhängig davon, wie die Vorermittlungen ausgingen, bleibe allerdings sicher viel hängen."

Und nur darum geht es den "Aufklärern": Aliquid semper haeret!

Freitag, 23. April 2010

Mixa und die journalistische Schäbigkeit


Wer wird als nächstes zum Abschuß freigegeben? Über wen darf die Presse als nächstes herfallen, und der öffentlichen Verachtung preisgeben? Gilt in diesem Staat noch die Unschuldsvermutung, oder reicht es, daß jemand einen Priestertalar oder Mitra trägt, um ihn zur Unperson zu erklären?

Das sind Fragen, die sich jeder stellen sollte, dem nicht unbedingt die Kirche, aber unsere Kultur am Herzen liegt. Um diese Kultur zu schützen, gilt das Prinzip "in dubio pro reo" - im Zweifel für den Angeklagten. Doch im Fall Mixa reichten Verdachtsmomente, die die Journaille genüßlich auswalzte. Es mag unglücklich gewesen sein, daß sich der Augsburger Bischof zuerst nicht erinnen konnte, und dann nachschob, es könne durchaus sein, daß ihm einmal die Hand ausgerutscht sei. Aber es ist eine ausgemachte Sauerei, wenn das von der Presse ohne jeden konkreten Hinweis in die Nähe des Kindesmißbrauchs gerückt wird!

Mit solchen Unterstellungen sollte der Bischof öffentlich unmöglich gemacht werden. Er wurde, man kann es nicht anders sagen, medial hingerichtet. Wen trifft es als nächsten? Wer wird als nächstes der Kanaille zum Fraß vorgeworfen, weil er Dinge ausspricht, die die verfasste Meinung nicht hören will.

Momentan ducken sich die Herren Marx und Zollitsch, und die Herren von der christlichen Partei heulen mit der Meute. Mixas "Amtsbrüder" und auch sich christlich nennende Politiker hätten ihm beispringen sollen. Die Sorge, sich selbst aus der Schußlinie zu bringen, überwog. Doch es ist höchste Zeit, daß die Herren merken, daß man nicht nur auf einen Einzelnen der Ihren zielt. Man zielt in das Herz der Kirche. Man will sie als Ganzes und mit ihr den Glauben diskreditieren.

Deshalb ist es so verlogen, wenn Herr Deckers von der angeblich seriösen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schreibt, es bleibe eine Kirche, "in der Priester wie zur Zeit der Reformation dem Generalverdacht ausgesetzt sind, unter dem Deckmantel ihres geistlichen Amtes allzu Weltliches zu treiben. Nun hat ein Bischof durch sein Verhalten auch das Bischofsamt in einen Misskredit gebracht. Die Auswirkungen sind noch nicht abzuschätzen."

Wer hat den Generalverdacht in die Welt gesetzt, und wer heizt ihn noch ständig mit Insinuationen an?

Donnerstag, 25. März 2010

Medienschelte


Die Medien haben in unserer Gesellschaft den wichtigen Auftrag, der zugleich eine ungeheuere Verantwortung bedeutet, politische, wirtschaftliche und andere Vorgänge von Belang kritisch zu beobachten und wenn nötig Protest einzulegen, wo Mißbrauch oder Schlimmeres vermutet wird.

Hier haben wir schon das Stichwort. Mißbrauch sollte man als Journalist nicht nur grundsätzlich beim anderen unterstellen, sondern ihn auch in den eigenen Reihen erkennen können. Andernfalls liegt die Selbstgerechtigkeit, die Versuchung nahe, sich als höheres Gewissen zu gebärden, obwohl man selbiges schon längst an andere Interessen abgegeben hat - an die Auflagenhöhe oder die Sensationslust der Massen.

Nichts anderes hat dieser Tage der Regensburger Bischof kritisiert, und das vollkommen zu recht. Wenn Chorknaben der Domspatzen nicht mehr suggestiv, sondern brutal und direkt von sogenannten Journalisten gefragt werden, wie sie es denn in diesem "Sündenpfuhl" aushalten könnten, erübrigt sich jede Diskussion über Moral und Anstand der schreibenden Klasse.

Aber wie reagiert die? Niemand, dem die Mißbrauchsopfer am Herzen liegen, kann sich gegen Aufklärung wehren. Der Papst hat selbst in seinem Brief an die irischen Bischöfe die Schuld bekannt, die Täter an ihre schwere Schuld vor Gott und den Menschen erinnert, und sich zu jeder Form der Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen bereit erklärt. Jeder Mensch guten Willens muß, wenn er den Brief liest, erkennen, daß der Papst gar nicht anders kann als den Mißbrauch als Verbrechen gegen alles was der Kirche heilig ist zu verurteilen. Der Papst erkennt aber auch die wahre Tragweite des Problems. Wir müssen alle in uns gehen, um dem Mißbrauch in der Kirche und der Gesellschaft zu begegnen.

Aber genau das scheint die Herren von der Presse zu stören. Alles wird mit unerträglicher Impertinenz auf die Kirche allein, einzig und ausschließlich zugespitzt. Selbst Alice Schwarzer ermahnte die deutsche Justizministerin, sich nicht auf die Kirche zu kaprizieren, sondern das Thema Mißbrauch als globales gesellschaftliches Problem anzugehen. Denn mit der pauschalen Kirchenschelte ist keinem der Opfer gedient, nur denen, die sich schon immer ihr Mütchen an der ach so verknöcherten, rückständigen Kirche kühlen wollen.

Und das darf man denen, die Priester unter Generalverdacht stellen, die jeder Klosterschwester üble Motive unterstellen, die sich nicht scheuen, die Kirche als "kriminelle Organisation" darzustellen, nicht vorhalten? Man darf sie nicht an ihre Pflicht zur sachlichen Aufklärung erinnern? Wenn man das tut, betreibe man eine "unterträgliche Medienschelte"! Wohin sind wir gekommen, daß sich die Medien für unfehlbar erklären?

Die Folgen des faktenresistenten, emotions- und ressentimentgesteuerten Journalismus machen sich bereits bemerkbar. In Dinkelsbühl wurde ein Reliquienschrein zerstört und das Sekelett des Märtyrers Aurelius geschändet.

Bild: Abendzeitung

Dienstag, 23. März 2010

Furor teutonicus II


Die Sprache ist ja absolut entlarvend. Wer mit ihr Schluder treibt, dessen Gedankengänge sind meist auch nicht klar. Er macht sich nicht bewußt, daß jedes Wort, das er benutzt und wie er es benutzt, einen Einblick in sein Innenleben zuläßt. Dabei wollen wir uns gar nicht bei den alltäglichen Sprachverhunzereien aufhalten à la "das macht Sinn" und den unseligen Anglizismen. Hier soll es uns konkret darum gehen, daß vielen Katholiken offenbar das Verständnis für die Kirche völlig abhanden gekommen zu sein scheint.

Wer heute den Aufgeregten über die Mißbrauchsfälle zuhört, die nun angeblich in Massen aus der Kirche austreten, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie nicht aus der Kirche Jesu Christi, sondern aus einem Hasenzüchterverein austreten. Über den Papst wird geschimpft als ob es zwischen ihm und dem Vorstandvorsitzenden eines Dax-Unternehmens keinen Unterschied gäbe. Die Verfehlungen und Verbrechen des "Personals" der Kirche werden abgehandelt wie auf der Jahressitzung des Kleingärtnervereins.

Das Bewußtsein, daß die Kirche an sich in eine höhere Ordnung gehört, scheint verschwunden. Jeder Papst, jeder Priester wie auch jeder Gläubige kann fehlen, kann sich versündigen, kann ein Verbrechen begehen, für das sich jeder einzelne zu verantworten hat. Aber in letzter Instanz eben nicht vor einem irdischen Gericht, das genauso fehlbar ist und keine absolute Gerechtigkeit kennen kann, sondern vor dem ewigen Richter.

Hier liegt die Kurzsichtigkeit und der alte, anscheinend nicht zu beseitigende Irrglaube gerade der Deutschen, auch der deutschen Katholiken, an weltliche Institutionen. Daß die Versuchung zum Menschen gehört, daß uns der Herr davor bewahren möge, wie man als Christ jedesmal im Vaterunser betet, das wird vollkommen vergessen. Nun seien die Therapeuten gefragt, die Kontrolleure, die Staatsanwälte, der große Bruder - die ewige autoritäre Versuchung der Deutschen.

Stattdessen wäre es an der Zeit, endlich aus den grauenhaften Mißbrauchsfällen zu lernen - daß keine noch so gute Kontrolle uns vor uns selbst schützen kann, es sei denn die Einsicht in unsere Versuchungen, unsere Fehlbarkeit, unsere Neigung zum Schlechten. Das hat uns Christus gesagt, als er die Ehebrecherin in Schutz nahm: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Aber gerade "zeitgemäße" Schriftausleger haben uns immer wieder zu verstehen gegeben, daß die Ehebrecherin keine Lehren zu ziehen hätte, daß uns Gott "so annehmen würde wie wir sind".

Das Böse ist für sie keine Kategorie mehr, genausowenig wie das Heilige, und deshalb verstehen sie auch die Kirche nicht mehr. Sie sagen ihr Ade wie ihrem Sportverein. Daß sie den brauchen, um Fußball spielen zu können, ist ihnen sofort klar. Daß man glauben und ein besserer Mensch werden könne ohne die Kirche, da nicken die meisten.

Dienstag, 16. März 2010

Die Zeichen an der Wand


Man muß nicht bei jeder Gelegenheit den Untergang des Abendlandes beschwören. Es gibt Betroffenheits-Rhetoriker, die das ständig tun und uns dadurch nur noch auf die Nerven gehen. Man sollte aber auch nicht in das andere Extrem verfallen, wie kürzlich ein FAZ-Redakteur, der den Papst als "grottenschlechten Geschichtsphilosophen" verunglimpfte, nur weil ihm dessen Verfallsgeschichte der Moderne nicht passte.

Doch die Zeichen mehren sich täglich, die nicht unbedingt auf eine Besserung der Dinge hinweisen. Das Thema Kindesmißbrauch und katholische Kirche wird von den Medien, mit wenigen rühmlichen Ausnahmen, auf einen Siedepunkt getrieben, der mit seriösem Journalismus wenig, aber sehr viel mit Kampagne und Polemik zu tun hat. Wer vor kurzem auf einem Nachrichtensender die "Diskussion" mit dem katholischen Journalisten Martin Lohmann, einem Stern-Redakteur und einem hinlänglich bekannten Moderator verfolgte, konnte es mit der Angst zu tun bekommen. Was dort geboten wurde, war keine Diskussion, das war ein reines Kesseltreiben - dem jedoch Lohmann couragiert widerstand. Suggestivfragen schraubten die Polemik und die kalte Aggression in eine unerträgliche Höhe, die nur noch ein Ziel vor den verblendeten Augen hatte: nicht die mißhandelten Kinder, sondern das Haßobjekt Kirche.

Und damit nicht genug: die nächste Sendung, die angekündigt wurde, sollte sich dem Thema "Arm und Reich" widmen. Suggestive Bilder von sektschlürfenden Nichtsnutzen wurden mit schwer arbeitenden Krankenschwestern kontrastiert, untermalt von düster-drohender Musik. Im Geschichstunterricht ist uns beigebracht worden, daß die Weimarer Republik nicht an ihren Institutionen oder ihrer Verfassung zugrundegangen wäre, sondern daran, daß ihr die Republikaner ausgingen.

Die Demokratie lebt nur dann, wenn Probleme offen und sachlich diskutiert werden, wenn nicht das Schwarz-Weiß überwiegt - hier die Guten, die Schuldigen, dort die Bösen. Momentan nimmt jedoch eine öffentliche, will heißen mediale Diskussions-Unkultur überhand, die genau so arbeitet. Man muß Westerwelle nicht mögen. Aber die Art, wie seit Tagen ein Kesseltreiben veranstalt wird, nur weil er ein echtes Problem ungeschickt angesprochen hat, ist schlicht unerträglich. Die schlimme Botschaft wird nicht besser, wenn man den Überbringer öffentlich hinrichten läßt!

Ein bedenkliches Zeichen ist es auch, wenn eine Gesellschaft, die vor dem Problem des Kindesmißbrauchs bis gestern noch die Augen verschloß und tausend Ausflüchte und Entschuldigungen fand bis hin zur Forderung nach Abschaffung von Straftatbeständen bei sexuellen Kontakten zu Minderjährigen, wenn dieselbe Gesellschaft heute auf ein Häuschen zeigt und lauthals Feuer schreit, während die eigene Burg lichterloh in Flammen steht.

Die Kirche hat bisher noch die schlimmsten Zeiten überstanden. Demokratische Gesellschaften sind dagegen zerbrochen, weil ihre Prinzipien zu leeren Hülsen verkamen.

Donnerstag, 11. März 2010

Ecrasez l'infame!


Es sollte hinlänglich bekannt sein, die Geschichte zeigt es, dennoch wird es ebenso gern unterschlagen: der Staat, der im 19. und 20. Jahrhundert sich eine Allmacht zuschrieb, die vorher unbekannt war, kann weltanschauliche Konkurrenz nicht ertragen. Die "Lufthoheit über den Kinderbetten", von denen vor nicht eben langer Zeit die Rede war, ist ein Beispiel dafür, genauso wie das Betreuungsgeld, das nur Familien erhalten, die ihre Kinder nicht selbst erziehen. Der Staat maßt sich einen Allvertretungsanspruch an, der durch die Realität nicht gedeckt ist.

Ideologisch wird das seit jeher durch Kampagnen gegen den großen Gegner der "Aufklärung", der Emanzipation von geistiger Enge, untermauert, gegen jenen Gegner, gegen den sich die versammelte Meute der Journalisten und Bessermeinenden dieser Tage versammelt hat - gegen die katholische Kirche.

Seit Tagen und Wochen werden die Schlagzeilen schreiender, ja im Grunde unverschämter. Es herrscht eine Stimmung, die jedem, der ein gutes Wort der Verteidigung für die Kirche findet, sofort Komplizenschaft unterstellt. Als gestern bei "Maischberger" der Salzburger Bischof Laun darauf hinwies, daß es in der Schwesterkirche durchaus mehr Mißbrauchsfälle gäbe, wurde er niedergeschrien. Daß eine Gesellschaft, die sich all das zugute hält, wogegen sich die Kirche angeblich wehrt, ein Vielfaches an Opfern häuslicher und anderweitiger Gewalt aufweist, fällt stillschweigend unter den Tisch. Apropos Schweigen, das ja gerade der Kirche vorgeworfen wird - ein katholischer Bischof meinte sehr treffend: "Das Verschweigen findet seit Jahrhunderten statt, nicht nur in der Kirche. Es findet statt in den Familien, in den Gemeinden, in den Gesellschaften. Warum pickt man sich nur die Kirche heraus?"

Denn eines dürfte jedem mittlerweile klar werden: es geht der aufgehetzten, selbstgerechten Öffentlichkeit nicht um die Opfer des Mißbrauchs. Sie sind nur billige Staffage einer Empörung, der die Kirche an sich ein Dorn im Auge ist. Wer studieren will, wie sich eine feindselige Stimmung aufbaut, in der Argumente und sachliche, ausgleichende Worte ins Leere laufen, in der der Generalverdacht herrscht, ohne Ansehung der Person und der Umstände, der hat dieser Tage alle Gelegenheit dazu. Denk ich an Deutschland in der Nacht...

Mittwoch, 10. März 2010

Ein Brunnen für Bodenmais


Sie lassen es sich nicht nehmen, uns, die einfachen Bürger aufzurütteln, zu verstören und unsere Sehgewohnheiten in Frage zu stellen. So oder ähnlich lautet das was jedesmal aus Künstlermund über den Äther tönt oder aus den Spalten des Kunstfeuilletons zu uns dringt, wenn ein neues Kunstwerk den öffentlichen Raum bereichern darf. Wohlwollend-herablassend wird dann auch jedesmal von den Unverständigen und Unaufgeschlossenen berichtet, die gegen dieses oder jenes moderne Kunstwerk protestieren. Das hat einen zweifachen Nutzen: Die Protestanten dienen als Projektionsfläche, um sich der eigenen "Modernität" zu versichern - seht her, da krakelen die, die daheim den röhrenden Hirsch über dem Esstisch haben - und der Künstler darf sich in der beliebten und geschäftsfördernden Gloriole sonnen, "umstritten" zu sein.

Kunst hätte ja schon immer verstört, Sehgewohnheiten in Frage...wissen wir schon, mag schon sein, aber mit einem wesentlichen Unterschied: die heutige Kunst tut nichts anderes. Michelangelo hat mit seinem David den Menschen seiner Zeit ganz sicher ein anderes, neues Bild vom Menschen gegeben; wie auch die Gemälde eines Tischbein, Ingres oder Franz von Lenbach eine neue Vorstellung vermittelten. Aber es ging ihnen vor allem darum, ihre Kunstfertigkeit, ihren Genius am Objekt zu zeigen und ganz sicher auch darum, die Welt schöner zu machen.

Davon kann im Falle des neuen Brunnens in Bodenmais keine Rede sein. Da war niemand am Werk, der das Material, mit dem er arbeitet, liebt, der sich Gedanken darüber gemacht hat, ob sein Werk in die gewachsene Umgebung passt. Für die Moderne ist ohnehin typisch, daß sie auf Harmonie keinerlei Rücksicht nimmt. Angefangen von Architekten, die nichts dabei finden, ihre kahlen, ausdruckslosen Fassaden zwischen schöne, alte Gebäude zu kleistern, bis zu Künstlern, die von Regeln und Tabus nichts mehr wissen wollen, reicht die Liste der modernen Bilderstürmer.

Als in der Münchner Theatinerkirche ein weiterer moderner Bildstürmer zwischen spätbarocken Stuck seine kahle Altarinsel setzen wollte, erhob sich der Protest des Kirchenvolkes. Der Bildsturm um des Bildersturms willen wird nicht mehr hingenommen, auch weil die spätpubertäre Attitüde der modernen Kunst schlicht langweilig geworden ist. Das Regietheater ergeht sich in den immer gleichen Nuditäts- und Wahnsinnsorgien, und Malereien, die man so oder anders schon tausendmal gesehen hat, werden stereotyp als provokativ vorgeführt.


Wer heute gegen den Brunnen in Bodenmais ist oder gegen die hundertste "provokative" Inszenierung des Hamlet, ist nicht rückständig. Er ist weiter als die Propheten des ewigen Neuen um jeden Preis, nicht zuletzt um den der Schönheit - die ja in der Kunst irgendwann irgendwo noch einmal etwas gegolten haben soll.

Montag, 1. März 2010

Der dunkle Schatten Roms


Der Kulturkolumnist der Süddeutschen Zeitung und diverser anderer renommierter Printmedien, Alexander Kissler, der sich unter anderem ausführlich mit der verblödenden Wirkung des Fernsehens beschäftigt hat, meinte vor kurzem, das ZDF sei entbehrlich, denn sein Informations- und Unterhaltungswert tendiere gegen Null. Das verwundert nicht weiter, haben sich doch die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nicht erst gestern in den allgemeinen Nivellierungs-Wettbewerb nach unten gestürzt - siehe den Techno-Hype um das neue heute-Studio, dem kein Content-Hype gegenübersteht. Die Gebührenmillionen kommen nicht mehr dem eigentlichen Zweck zu, für den die öffentlich-rechtlichen Sender geschaffen wurden - der seriösen Information und anspruchsvollen Unterhaltung.

Auf dem "Ereignis- und Dokumentationskanal der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten" (Phoenix) lief gestern abend eine "Dokumentation" mit dem sprechenden Titel "Index - die schwarze Liste des Vatikan". Unser Fernsehonkel vom Dienst, Wolf von Lojewski, der einst das "heute journal" mit der "Sendung mit der Maus" kreuzte, stellte darin ebenso aufgekratzt-naiv dem Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf Fragen zum Index der verbotenen Bücher, die dieser mit rollenden Augen und aufgeregt-theatralischer Geste beantwortete. Von "Beantworten" kann jedoch keine Rede sein, denn die Antworten lagen schon in Lojewskis Fragen.

Der Zuschauer weiß schon vorher, daß die Kirche den Dichter Heinrich Heine nur deshalb als Finsterling verfolgen ließ, weil er für Gedankenfreiheit und Demokratie eintrat. Wenn Lojewski den Index herauszieht, in dem eigentlich der Name Marx und dessen "Kapital" verzeichnet sein sollten, ahnt man/frau schon, daß die dort nicht stehen werden, und auch der Chef der braunen Mordbanden mit seinem "literarischen Machwerk" ist dort nicht zu finden, wundert sich Lojewski und schüttelt die schütteren Locken. Warum das so ist, erschließt sich auch sofort, da die römische Kirche zwar die beiden Totalitarismen des 20. Jahrhunderts verurteilte (siehe "Mit brennender Sorge"), aber doch den einen eher gewähren ließ als den anderen - siehe den "umstrittenen" Papst Pius XII. und dessen "Schweigen", das zwar hundertfach widerlegt ist, aber sich genauso zäh hält wie die Mär von der Wissenschaftsfeindschaft der Kirche im Fall Galilei.

Informativ wäre die Sendung gewesen, wenn sie nicht Stereotypen bediente, sondern erklären würde. Zum Beispiel, daß die Kirche zuerst nach dem Gesetz des Seelenheils funktioniert. Die Kirche setzte Heine eben nicht auf den Index, weil sie dessen Glauben an die Republik nicht teilte - von der Sorte gab es genug Literaten, die nicht auf dem Index landeten -, sondern weil er vom Beichtsakrament bis zur Messe das Sanctissimum des Katholischen seinem wohlfeilen Spott preigab. Die Machwerke der Massenverführer aus Trier und Braunau sind im Index nicht zu finden, weil Rom sehr gut wußte, daß man einer totalitären Massenbewegung nicht mit Leseverboten beikommt. Aus den Dokumenten sei die Frage, warum Marx und Hitler nicht auf dem Index stünden, nicht zu beantworten, meinte Professor Wolf, denn die Dokumente zum Dritten Reich seien "noch nicht freigegeben", wobei er unterschlug, daß Rom umfangreiche Dokumentensammlungen zu den 1930er und 40er Jahren schon lange publiziert hat.

Dies und anderes interessierte nicht. Rom und sein "Geheimarchiv" und seine Glaubenskongregation erschienen von fataler Dunkelheit umhüllt, in der Geistes- und Fortschrittsfeindschaft gediehen, untermalt von unheildrohender Musik und bevölkert von Soutanenträgern mit verkniffenen Gesichtern. Hier fehlten nur noch Frau Ranke-Heinemann und der "Startheologe" aus der Schweiz, Hans Küng, der sich zum tausendsten Mal darüber beklagen durfte, daß der nach dem zweiten Vatikanum abgeschafften Indexkongregation irgendwann der Geduldsfaden gerissen war - angesichts eines Theologen, der merkte, daß er mit kirchenkritischer Theologie mehr verdient als mit kirchentreuer. Kein anderes Motiv steht hinter der raunenden Index-Schmonzette der Herren von ZDF und Phoenix, die den Zuschauer nicht klüger macht. Also, besser abschalten und Karlheinz Deschner, Hochhuth oder Dawkins lesen - die sind wenigstens unterhaltsam.

Es lebe die (Frauen)Quote!


Nun hat sie auch die CSU entdeckt, oder genauer gesagt die Justizministerin der CSU, Frau Beate Merk, die noch vor kurzem den Augsburger Bischof Mixa vor ungerechtfertigten Anwürfen zum Thema Kindesmißbrauch in Schutz genommen hat. Muß man die Tatsache, daß viele Frauen (und auch Männer) Zustimmung zur Frauenquote signalisieren, schon als Indiz deuten, daß die Sache überfällig sei, auch für die CSU, oder ist das nur die Allüre einer CSU-Frau, die gestern noch auf konservativ gemacht hat und deshalb heute dem Zeitgeist huldigen muß, gewissermaßen zur Beruhigung der Gemüter?

In Hamburg sinkt der CDU-Bürgermeister immer weiter in der Gunst seiner Klientel, und das obwohl die Kanzlerin schwarz-grün als mögliches Zukunftsmodell in Erwägung zu ziehen bereit wäre. Bei ihr erscheint ja nichts im Indikativ, bevor nicht die bundesdeutsche Meinungslage das angezeigt erscheinen läßt - nach dem Motto, wir sind so modern wie uns die veröffentlichte und statistisch erfasste Meinungsmehrheit haben will. Konservativ sei die CDU ja nicht, erklärte erst vor kurzem Volker Kauder, die rechte Hand der Kanzlerin.

So ist es nur konsequent, wenn nun auch die bayerische Schwesterpartei über ein weiteres Element aus dem Gemischtwarenladen politischer Beliebigkeit, die Frauenquote, nachdenkt. Wäre es nicht vernünftiger und einer gut konservativen, also realistischen, nicht ideologischen Wunschbildern nachhängenden Partei würdiger, Abstand zu nehmen von sozialistischer Zwangsbeglückung und Gleichheit um jeden Preis, die nur neue Ungleichheit zur Folge hat?

Der Kanzler der Einheit hatte es versäumt, beizeiten fähigen Nachwuchs nach oben kommen zu lassen. Seine von ihm erkorene Nachfolgerin, groß geworden in einem sozialistischen Gesellschaftsexperiment, verdrängte bisher auch jeden, der konzeptionell mehr zu bieten hatte, und glänzt selbst mit passiver Konzeptionslosigkeit. Es ist höchste Zeit, für die Union eine Zwangsquote einzuführen - für konservative, christlich fundierte Querdenker, natürlich ohne Rücksicht auf das Geschlecht.

Mittwoch, 24. Februar 2010

Frau Käßmann und die Schuld


Sünde und Schuld seien keine Kategorien mehr, klagte vor kurzem der Spiegel-Redakteur Matthias Matussek. Die Reaktionen auf die Trunkenheitsfahrt der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann scheinen diese These zu bestätigen. Nachdem die "Bischöfin" mit 1,54 Promille am Steuer eine rote Ampel überfahren hatte, meinte der ehemalige bayerische Ministerpräsident Beckstein, mit einem verkniffenen Seitenblick auf die katholischen Würdenträger, in der evangelischen Kirche sei ein Bischof kein Heiliger. Er bzw. sie wäre kein(e) "Säulenheilige(r)", unkte ein anderer evangelischer Funktionär, ganz anders als die katholischen Bischöfe, die ihre Heiligkeit wie eine Monstranz vor sich hertrügen. Frau Käßmann sei schlicht "menschlicher" und spreche den Menschen aus der Seele, wenn sie zum Beispiel den Afghanistaneinsatz kritisiert.

Spricht sie ihnen aus der christlichen Seele oder eher nach dem politischen Mund? Die Orthodoxie, die den Kontakt mit ihr abbrach, ist letzterer Meinung. Frau Käßmanns Positionen seien die einer politisch korrekt gewendeten EKD, die sich auf weite Strecken nicht mehr mit der Heiligen Schrift rechtfertigen lassen. Dafür wurde sie gewählt, auch für eine Moralauffassung, die Verfehlungen nicht als Problem sieht, als Sünde, sondern als "Fehler" entschuldigt, die halt eben zum Menschsein gehören. Daß dieser Fehler - wenn ich die Ampel bei Rot betrunken überfahre - einen Menschen das Leben kosten kann, daß die verschwommenen Moralvorstellungen - siehe die Stichtagsverschiebung, die die EKD mitgetragen hat - Menschen tatsächlich und tagtäglich das Leben kosten, steht nicht zur Debatte. Wer solches anmahnt, sieht sich als moralinsaurer Säulenheiliger an den Pranger gestellt.

Man kann durchaus auch mit zwei Maß Bier noch Auto fahren, wie Beckstein einst meinte. Aber sollte man es auch tun? Ein verantwortungsbewußter Christ, ob evangelisch oder katholisch, bedenkt die Folgen seiner Handlungen für sich und seine Umwelt. Wenn er dies konsequent tut, im Bewußtsein der Gnade Gottes, ist er auf dem Weg zur Heiligkeit, zu dem wir alle berufen sind. Wer es nicht tut, und sich das auch noch als Vorzug anrechnen läßt, lebt nicht das, was er/sie zu leben vorgibt. Für eine gewählte evangelische Funktionärin, die gerade das rechte Leben nach dem Evangelium für sich in Anspruch nimmt, ist das im Grunde eine Bankrotterklärung. Aber nicht erst die Orthodoxie hat erkannt, daß im deutschen Protestantismus, soweit er nicht evangelikal ist, schon lange Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen.

Dienstag, 23. Februar 2010

Der rote Staatsmann


Während seines Wahlkampfs um das Kanzleramt meinte Franz Josef Strauß einmal, es sei an der Zeit, daß Helmut Schmidt nur noch Klavier spiele. Heute gilt Schmidt seines Alters wegen, und auch weil die veröffentlichte Meinung Helmut Kohl gerne ausblendet, als der große elder statesman - eine Qualifizierung, über die Strauß wahrscheinlich lächeln würde.

In der Talksendung "Beckmann" meinte Schmidt lakonisch, den Unterschied zwischen Arm und Reich müsse man durch eine Erhöhung der Einkommenssteuer oder auch der Erbschaftssteuer überbrücken. Das ist die Art von Finanzpolitik, die schon Strauß auf die Palme brachte. In den 1970er Jahren war es noch möglich, wenn auch natürlich nicht legitim, der arbeitenden Bevölkerung eine stets wachsende Steuerlast aufzubürden, weil die Demographie noch stimmte. Aber Familienpolitik war noch nie das Steckenpferd der SPD. Die Familie als Hort der Reaktion, Klüngelei und Vermögensanhäufung befindet sich dank einer ideologisch verirrten Politik in einer Schrumpfungskur. Und mit ihr müßte auch die alte Umverteilungspolitik an ihr Ende kommen, die uns das heutige Schlamassel eingebrockt hat.

Aber weit gefehlt: die Melkkuh ist zwar deutlich kleiner geworden, die Einsicht in die Irrtümer von vorgestern aber nicht größer. Schmidt erklärt mit der Attitüde des altgedienten Staatsmannes, die Rente werde sicher das nächste und auch das übernächste Jahr noch sicher sein. So kurz sind die Fristen schon geworden, um den Schein zu wahren. Sein Politkollege Blüm redet heute ähnlich. Keine Entschuldigung für das "die-Rente-ist-sischer"-Gerede, keine Korrektur. Das wäre weise und eines Staatsmannes würdig.

Wie sagte sein weiser Zeitgenosse, der leider schon 1988 aus dieser Welt schied: Eher legt sich ein Dackel einen Wurstvorrat an als daß ein Sozialdemokrat mit Geld umgehen kann.

Freitag, 19. Februar 2010

Der furor anticatholicus teutonicus


Als der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger Papst wurde, überschlugen sich seine Landsleute vor Begeisterung. "Wir sind Papst", titelte die Zeitung mit den großen Buchstaben. Heute schreibt sie ganz anders, wie immer am Puls der Zeit und des Volkes, wie immer unüberbietbar knapp und polemisch. Von "Sexpriestern" ist die Rede wie sonst von der "Russen-Mafia", eine weitere genialische Wortschöpfung aus dem Hause Diekmann. Eben jener konnte noch vor kurzem seitenweise über den Niedergang Deutschlands, seiner Werte und seiner politischen Kultur philosophieren, um wenig später schon in das gleiche Horn zu stoßen wie das berühmt-berüchtigte Hamburger Nachrichtenmagazin.

Daß dieses mit Pauschalurteilen ebenso schnell zur Hand ist, vor allem wenn es um die katholische Kirche geht, ist hinlänglich bekannt. Auf dem Titelbild einer seiner jüngeren Ausgaben prangt denn auch ein Prälat im Talar. In der einen Hand hält er ein Gebetbuch, die andere schiebt sich unterhalb der Gürtellinie in das geistliche Gewand. "Die Andeutungshaftigkeit dieser Ikonographie ist überwältigender und emotionalisierender als jede sachliche Illustration der jetzt in Frage stehenden konkreten Fälle des Missbrauchs", schreibt die "Tagespost". Will heißen, durch eine derart plakative Darstellung verhänge ich den Generalverdacht über einen ganzen Berufsstand, obwohl solches sich in unserem Rechtsstaat eigentlich verbieten sollte.

Man stelle sich nur vor, das Magazin hätte statt des Prälaten einen schwerbewaffneten Taliban abgebildet und ebenfalls "die Scheinheiligen" darübergeschrieben, und statt des Untertitels "Die katholische Kirche und der Sex" - "Der Islam und die Friedfertigkeit". In Hamburg müßte man daraufhin wahrscheinlich die Schotten dichtmachen. In jeder Großorganisation gibt es Kriminelle, Betrüger, Verbrecher, auch und nicht zuletzt in jener Großorganisation, die sich Gesellschaft nennt. Und auch die Kirche ist Teil dieser Gesellschaft und kann sich deren Einflüssen nicht entziehen, will es auch oft gar nicht, wie die Entwicklung der letzten vierzig Jahre zeigt.

Eben darauf wollte der momentan vielgescholtene Bischof von Augsburg hinweisen. Darf eine Gesellschaft, in der tagtäglich schreckliche Verbrechen, gerade im Familienkreis passieren, mit dem Finger auf eine Organisation zeigen, in der das auch, aber in wesentlich geringerem Ausmaß passiert? Ohne die Kirche zu exkulpieren, versucht sich da nicht jemand zu exkulpieren, der selbst in sich gehen sollte?

Die immer dann aus der Versenkung hervorgeholte Frau Ranke-Heinemann, wenn die Hamburger mal wieder einen intellektuell-theologischen Tiefschlag brauchen, meinte ganz in diesem Sinne, der Augsburger Bischof reagiere nach dem Grundsatz "Hauptsache, jemand anders ist verantwortlich." Boulevard und Magazinjournalismus handeln dieser Tage eben nach dem Grundsatz, im Zweifel ist die Kirche schuld, mit ihren verstaubten Moralvorstellungen, mit ihrem theologischen Hokuspokus ist sie der Nährboden allen Übels.

Der Papst hat die irischen Bischöfe nach Rom zitiert, Bischöfe wurden zum Rücktritt gezwungen, eine unabhängige Fachfrau wurde mit der Aufklärung der Mißbrauchsfälle beauftragt und nicht zuletzt hat der Rektor des Berliner Canisius-Kollegs für Aufklärung gesorgt. Es fragt sich, wer hier wirklich zur Selbstkritik und zum "Ausmisten des eigenen Stalls" unfähig ist.

Donnerstag, 18. Februar 2010

Die Republik und ihr adeliges Oberhaupt


Es fängt an mit der kleinlich-spießigen Weglassung des Adelsprädikats und es endet mit einer flagranten Menschrechtsverletzung: sowohl der älteste Sohn des letzten Kaisers, Otto, wie auch einer seiner zahlreichen Verwandten, Ulrich, müssen es sich gefallen lassen, von einer kleinkarierten Kaste österreichischer Politiker als "Otto Habsburg" und "Ulrich Habsburg-Lothringen" tituliert zu werden. Das wäre noch zu verschmerzen.

Ein ausgewachsener Skandal ist es jedoch, daß eine Republik, die bei jeder Gelegenheit von Toleranz und Gleichheit vor dem Gesetz schwadroniert, eine Familie kollektiv diskriminiert, weil sie einmal auf dem Thron gesessen hat. Die Familie Habsburg darf per Gesetz, gemäß den schandbaren sogenannten "Habsburgergesetzen", für kein politisches Amt kandidieren. Mitglieder der Familie durften auch erst nach Österreich einreisen, und selbst das nur unter größten Schwierigkeiten, nachdem sie offiziell auf ihre Thronrechte verzichtet hatten. Zugleich kennt die Republik Österreich bekanntlich keinerlei Scham, von jenen Relikten alter Größe zu profitieren, die es ohne die Habsburger niemals gäbe. Klinisch nennt man so etwas Schizophrenie, politisch Opportunismus.

Für die Gattin des letzten Kaisers, Zita aus dem Hause Bourbon-Parma, mußte sich der spätere spanische König Juan Carlos einsetzen, damit jene 1971 zur Beisetzung ihrer Tochter Adelhaid nach Tirol einreisen durfte. Otto von Habsburg, ausgewiesener Europäer und langjähriges Mitglied des Europa-Parlaments, wurde noch 1960 an der Einreise in jenes Land gehindert, das seine Familie groß gemacht hatte.

Was steht hinter dieser Diskriminierung, die sich heute darin manifestiert, daß ein Ulrich von Habsburg-Lothringen, grüner Kommunalpolitiker aus Kärnten, daran gehindert wird, für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten zu kandidieren, nur weil er einen Namen trägt, den Politiker wie Faymann oder Fischer offenbar mehr scheuen als der Teufel das Weihwasser? Wohl sicher auch die Angst, daß die farblosen, prinzipienlosen Politfunktionäre neben einem Habsburger reichlich blaß aussehen könnten; daß die alte schwarz-weiß-Propaganda von den ach-so-volksfernen Aristokraten, die stets nur das Volk ausgebeutet hätten, angesichts von verschleuderten Steuermilliarden nicht mehr verfangen könnte.

Ähnlicher Verdacht könnte auch den bayerischen Stimmbürger beschleichen, wenn er das Trauerspiel um die Kaltenberger Brauerei des Prinzen Luitpold von Bayern verfolgt. Die Stadt München und mit ihr der Freistaat begehen dieses Jahr im großen Stil das 200. Jubiläum eines Festes, das es wohlgemerkt ohne die Hochzeit des Wittelsbacher Kronprinzen Ludwig mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen vor 200 Jahren nicht gäbe. Dennoch kennt die Stadt keinerlei Scham, unter fadenscheinigsten Vorwänden den Nachfahren dieses Kronprinzen nach wie vor von der Festwiese fernzuhalten.


Über den Fall des Ulrich von Habsburg-Lothringen wird demnächst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entscheiden. Über die Politik der Stadt München, das Oktoberfest zu einem Bier-Ballermann ohne jede Tradition verkommen zu lassen, stimmen die Bayern bereits mit den Füßen ab. Warum sollte man/frau auch das sündteure Industriebier internationaler Brauerei-Konzerne saufen (Augustiner ausgenommen!) -, die nur noch nominell ihren Sitz in München haben, und daraus ein sehr dünnes Recht auf ein Zelt auf der Theresienwiese ableiten - und das unter geisttötender Dauerbeschallung, die so wenig mit bayerischer Musik zu tun hat wie Politik mit...aber diesen Vergleich überlassen wir jedem selbst.

Freitag, 12. Februar 2010

Das ewige deutsche Sorgenkind Schule


Mit Ausnahme des Steuersystems wird in Deutschland seit den 1970er Jahren über nichts so leidenschaftlich und fruchtlos diskutiert wie über die Schule. Warum brauchen die Schüler heute zu Tausenden Nachhilfeunterricht, fragte heute eine Sendung des Bayerischen Rundfunks. Die Antwort war für die meisten Mitdiskutanten wie für den anwesenden Experten klar: die Schüler seien überlastet, es fehle an "individueller Förderung", die Lehrer seien schlecht ausgebildet, sie würden sich modernen Lerntechniken verweigern, und vor allem sei "der Staat" nicht bereit, das nötige Geld "in die Hand zu nehmen", um endlich, endlich die Dinge zum Besseren zu wenden.

Der Stand der Diskussion hat sich augenscheinlich seit den 70ern nicht verändert. Es ist nur eines verwunderlich: seit vierzig Jahren wird ohne Unterlaß reformiert, diskutiert, Professoren haben sich goldene Nasen mit immer neuen pädagogischen Konzepten verdient, doch das vielgescholtene "System" ist immer noch nicht in jenem anvisierten Idealzustand.

Woran liegt es also? Liegt es nicht vielmehr an einem Webfehler, den die ewigen Reformatoren nicht einsehen wollen - daß es intellektuelle Unterschiede zwischen den Schülern gibt, die man auch durch die beste Pädagogik nicht beseitigen kann. Daß es schlicht ein zielloses Unterfangen ist, jede und jeden zum Abitur zu bringen. Die Konsequenzen dieses Webfehlers sind jedem sichtbar, nur denen nicht, die weiter in ihrem pädagogischen Wolkenkuckucksheim leben wollen: daß ein Hauptschüler fast keine Chance mehr hat, eine Lehrstelle zu bekommen; daß an Universitäten abgestufte Bachelor-Abschlüsse eingeführt werden müssen, weil viele Abiturienten nicht mehr wirklich reif für die Universität sind, usw. usf.

Das Grundproblem ist also nicht unter all den seit Jahrzehnten mantrahaft wiederholten Problemen zu suchen. Ein Schüler, der in den 1950er Jahren in die Schule ging, hatte klare Hürden zu überwinden, um in eine höhere Schule zu kommen. Überwand er sie nicht, weil seine Talente zum Beispiel eher im Praktischen lagen, fand er auch seinen Platz in der Gesellschaft. Die Lösung unseres "Schulproblems" scheitert schlicht am Gleichheitswahn, der einen Professor für eine höhere Lebensform als einen Metzger hält, obwohl beide für den Bestand einer Gesellschaft wichtig sind. Und sie scheitert nicht zuletzt daran, daß Fleiß und Gehorsam zu Sekundärtugenden herabgewürdigt wurden, ohne die aber Erfolg nicht möglich ist.