Montag, 31. Mai 2010

Bekennermut vor Königsthronen


Wer kennt sie nicht, die Geistlichen, die nicht als solche zu erkennen sind, die lieber in Anzug und Krawatte oder mit einem verschämt auf dem Kragen getragenen kleinen Kreuz daherkommen? Das sind diejenigen, die sich bei jeder Gelegenheit auf das zweite Vatikanum berufen, obwohl das ohne wenn und aber die Priester daran erinnert hat, als Geistliche auch an ihrer Kleidung erkennbar zu sein.

Diese Kleidung soll sie als Anprechpartner der Suchenden erkennbar machen, und vor allem Zeichen in einer Welt sein, die die Botschaft Christi und seiner Kirche gerne weit an den Rand verbannen würde - Hoffnungs- und Widerspruchszeichen in einem. Macht euch nicht dieser Welt gleich, spricht der Völkerapostel Paulus. Viel eher scheint die Furcht im Klerus vorzuherrschen, sich den Kräften der vielgeschmähten "Tradition" gleichzumachen. Ein junger Geistlicher, der die Soutane demonstrativ abgelegt hatte und auch keinen römischen Kragen mehr zu tragen bereit war, entgegnete auf den Einwand des Schriftstellers Julien Green, die Soutane würden nur Integralisten tragen. Green vermerkte in seinem Tagebuch, wobei man das Kopfschütteln deutlich mitlesen kann, das sei das Kleidungsstück gewesen der Märtyrer und Heiligen.

Diese waren noch zum Zeugnis bereit, nicht nur durch das Wort, sondern auch durch ihre schlichte Existenz, die niemandem verborgen bleiben sollte. Die freiwillige Ehelosigkeit ist ebenfalls ein Bekenntnis zur höheren Ordnung, die deshalb auch angefeindet wird. Der Priester soll nicht mehr Diener der ewigen, sondern der zeitlichen Ordnung sein, ein Sozialarbeiter, Gemeindevorsteher, Bibelkreisleiter und Pfarrnachmittagsorganisator, der ab und an etwas zur Ungerechtigkeit in der Welt sagen darf.

In der politischen Rhetorik der ehemals christlichen Unionsparteien ist dieses Immanenzgehabe bei weitgehender Transzendenzblindheit ebenfalls längst angekommen. Nicht anders kann man sich die Meinung des CDU-Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz erklären, der vor kurzem meinte, der Zölibat hätte zwar mit Mißbrauch nichts zu tun, aber die Bevölkerungsmehrheit sehe bzw. fühle dennoch einen Zusammenhang. Die Kirche könne Vertrauen nur zurückgewinnen, wenn sie den Zölibat fallenließe.

Damit ist mit wenigen Worten nicht die Malaise der Kirche, sondern einer Umfragen-gesteuerten Unionspolitik beschrieben, die nicht mehr treibend, sondern nur noch getrieben ist. Angst vor ihrer eigenen Tradition, hechelnde Anbiederung an den Zeitgeist, Mitte-Huberei ohne jedes Profil. Der Priesterkragen ist ein eindeutiges Gegensymbol gegen die Gesinnungslosigkeit. Und diejenigen, die heute Priester werden, bekennen sich in wachsender Zahl auch in der Kleidung zu ihrem Glauben und ihrer Mission. Das verschämt-naive "ich bin ja katholisch, aber weltoffen" oder "die Union ist ja gar nicht konservativ", gehört hoffentlich bald ebenso der Vergangenheit an wie der weiße Hemdkragen über schwarzem Pullover...

Sonntag, 23. Mai 2010

Der pfingstliche Geist aller Zeiten


Heute schreien sie wieder, wie sie so oft in der Geschichte schon geschrien haben - die Kirche müsse sich wandeln, sich "reformieren", mit der Zeit gehen. Die üblichen, bis zum Überdruß durchgehechelten Forderungen folgen umgehend. Der Zölibat sei nicht mehr zeitgemäß, die Morallehre der Kirche müsse auf den Prüfstand, überhaupt hätte die Kirche jene glückvolle Öffnung zur Welt, die angeblich das letzte Konzil erklärte hätte, endlich konsequenter zu praktizieren - so als hätte es keine Missionsorden, keine Jesuiten, die nach Indien und China gingen, keine barmherzigen Schwestern und all jene Katholiken nicht gegeben, die an ihrem Platz, in ihrer Welt die frohe Botschaft verkündigt haben.

Sie verkündigten ihn im Geist aller Zeiten, jenem der heiligen Schrift und der ewigen Tradition der Kirche, nicht in jenem Geist, dessen Verfallsdatum schon morgen überschritten sein kann. Der Geist von heute oder morgen gibt keinen Halt. Wenn wir nur ihn hätten, wären wir ein Spielball wechselnder Mächte. Genau das ist es, was jene Mächte wollen - der Christ war diesen schon immer verdächtig, weil er sich nicht für das Heutige, Moderne, Beliebte einfach begeistern läßt, weil es heutig, modern und beliebt ist. Daher der zorngerötete Kampf der roten und brauen Barbaren gegen das katholische Christentum, die nicht derart leicht auf die Lehren nationaler Potentaten festzunageln waren, sondern eher auf das übernationale Rom hören wollten.

Will man wissen, wie das Zeitgeistige im Religiösen aussieht, wenn man es konsequent zu Ende denkt, braucht man sich heute nur den Zustand der Evangelischen Kirche Deutschlands anzusehen. Jede neue und oft schon sehr alte, längst widerlegte Flause des Zeitgeistes wird zum Wehen des heiligen Geistes erklärt - siehe jene unsägliche Anbiederung der Frau Käßmann im Münchner Liebfrauendom an Pharmaindustrie und die grau gewordenen pressure groups des Feminismus um jeden Preis.

So ist mit Kirche höchstens Staat zu machen, aber der Berufung des Christlichen nur ein Bärendienst zu erweisen. Diese Berufung haben gerade jene klar und deutlich erkannt, die den Zeitgeist des vergangenen Jahrhunderts in seiner schlimmsten Form erleben mußten. Der russische Adelige Ivan von Kologrivov, der lange genug lebte, um die rote Diktatur mit ihrer mörderischen Weltverbesserungslehre und deren braune Verwandte zu erleben, widmete sein Buch "Das Wort des Lebens" seiner "unvergeßlichen, in Gott verewigten Zarin, am 16./17. Juli 1918 in Jekaterinburg ermordet". In diesem Buch schreibt er:

"Es genügt, das Wort vom Geist und die Form vom Inhalt zu trennen! Wer nicht weiß, was Sünde und Erlösung ist, wem Jesus von Nazareth nicht Gottes Sohn ist, von Ewigkeit zu Ewigkeit, wer in der Kreuzigung nur eine bedauerliche und eigentlich überflüssige Hinrichtung sieht und nicht weiß und glaubt, daß hier die Substanz der Schöpfung von Sünde und Tod gereinigt wurde, wer denkt, daß es nur um soziale Güte, um menschliche Tugend geht und nicht um das ewige Leben, um die Teilnahme am Leben Gottes, dem ist das Christentum eine bloß geschichtliche Erscheinung, die dazu noch ihr Alter und ihren Ursprung gegen sich hat: "eine Religion" neben anderen. Es ist nicht die ewige Wahrheit, die Offenbarung Gottes, die in Jesus geschehen ist."

Diesen überzeitlichen Stachel will man auch heute der Kirche wieder nehmen. Der Streit um Zölibat und scheinbar periphere Lehrfragen erscheint nur auf den ersten Blick als Nebenkriegsschauplatz. Er zielt ins Herz der Kirche und des christlichen Glaubens.

Montag, 17. Mai 2010

Der Ichling von Oberammergau


Der katholische Zeitkritiker Erik von Kuehnelt-Leddihn prägte zwei sehr eigene Begriffe, um die Mailaise der Modernen auf den Begriff zu bringen - die "Ichlinge", die ihre begrenzte Weltsicht zum Maßstab machen, und die "Ibkas" - "Ich bin katholisch, aber..."

Diese Begriffe können einem in den Sinn kommen, wenn man das derzeitige Treiben im schönen Oberammergau verfolgt. Die Vorväter der heutigen Darsteller leitete noch das Gelübde, das man vor dem Herrgott abgelegt hatte, nicht die Selbstverliebtheit eines Münchner Volkstheater-Regisseurs. Das Gelübde sei nur "historischer Background", ein "netter Glaube", eine "schöne Geschichte", die heute keiner mehr nachvollziehen könne. Diese Geschichte, das Passionsspiel, werde nur weiterbestehen, meinte Stückl, "wenn wir uns darum immer wieder raufen", "wenn wir versuchen, [es] neu zu erzählen".

So spricht der Herr des modernen Regietheaters auch, wenn er Lessing, Kleist oder Kroetz inszeniert. Ein Passionsspiel verlangt aber mehr, möchte man meinen. Stückl wehrt sich dagegen, Jesus auf den Leidenden zu reduzieren - "Man darf Jesus nicht reduzieren." Stückls Rede von "Jesus" ist schon Reduktion, weil sie den Christius ausblendet, den Auferstandenen, der, der uns von Sünde und Tod erlöst hat. In Stückls Passions-Inszenierung ist auch mehr vom "menschlichen Umdenken", zu der Jesus aufgefordert hätte, von den "Ideen" die Rede, die Jesus, so Stückls Meinung, ans Kreuz gebracht hätten. Die Opfertheologie, die Grundlage der Erlösung ist - Christus starb stellvertretend für unsere Sünden am Kreuz - beseitigt Stückl mit einem Federstrich: "Ich glaube nicht an einen Jesus, den der liebe Gott - das lieb sei schon in Frage gestellt - auf die Erde schickt, damit er geschlachtet werden kann - und durch dieses Schlachtopfer soll dann die Menschheit befreit sein."

Mit wenigen Worten schiebt Stückl alles beiseite, was das Gelübde der Oberammergauer vor mehr als dreihundert Jahren ausmachte, was Kern der Passionstheologie und Dogma der Kirche ist. Und der offiziell für die Passionsspiele bestallte Theologe und auch der Münchner Erzbischof nicken dazu. Der eigentliche, der historische Jesus sei der Wesentliche, erklärt Stückl. Er könne nur den Menschen darstellen, alles andere, der Verweis auf das Göttliche sei einfach nur Behauptung, reine katholische Eitelkeit, die sich gegenüber anderen schon auf der sicheren Seite wüßte.

Das hat mit Aktualisierung, mit Neubelebung des Gelübdes, wie der emeritierte Pastoraltheologe und Berater der Passionsspiele, Ludwig Mödl, meint, nichts mehr zu tun. Das ist auch keine Neuerfindung mehr, das ist offene Verfälschung, die die alten, lebten sie denn noch, als solche erkennen würden, und gegen die sich stellenweise auch heute Widerstand unter den Oberammergauern regt. Aber was vermag solcher Protest gegen das feministische Gerede Stückls von den starken Frauen, die mehr Mut bewiesen hätten als die Männer? Der zeitgeistige Ehrgeiz wird nachgerade lächerlich, wenn eine Frau Pilatus die Geißel aus der Hand reißen und sagen darf, er solle aufhören. Stückl findet das "total gut". Auch daß die Dan-Brown-Mär von der Liebesbeziehung zwischen Jesus und Maria Magdalena spielerisch angedeutet wird, oder daß eine verheiratete Frau heute die Muttergottes spielen darf.

1990, als das erstmals geschah, hätten gerade die Frauen am meisten geschimpft, was Stückl befremdet hätte. Für diese Frauen war damals das Passionspiel noch Ausdruck des Gelübdes, kein reines Theater. Es war die Anstrengung eines ganzen Dorfes, das Opfer Christi am Kreuz so weit wie irdisch möglich nachzuvollziehen, um sich damit das Wohlgefallen Gottes zu erwerben. Heute ist es tatsächlich, wie Stückl meinte, ein "soziales Event" geworden. Dazu passt auch, daß vor der Premiere ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert wurde statt einer heiligen Messe, in der das, was auf der Bühne später gezeigt wird, tatsächlich, wenn auch in unblutiger Weise stattfindet. Unter Stückl ist das Spiel immer mehr reines Theater geworden, womit Kritik an theologischen Irrwegen, populistischem Feminismus oder Muslimen, Protestanten und aus der Kirche Ausgetretenen, die am Spiel mitwirken, obsolet geworden ist - so obsolet wie das Gelübde.

Freitag, 14. Mai 2010

ÖKT und die große Seelenmassage


Der Schriftsteller Martin Mosebach ist der lebende Beweis dafür, daß es trotz all der geifernden Papstfeinde, aufgekratzten Kirchen-von-unten-Funktionäre und ewigen Reformsalbader noch Menschen gibt, die sich ihren Sinn für das Katholische bewahrt haben. In einem Interview mit dem Magazin einer (nur nach der Auflage) großen süddeutschen Zeitung meinte er, ihm gehe der Ökumenische Kirchentag schon deswegen gegen den Strich, weil "Kirche nichts von einem Wellnessausflug haben darf".

Der bayerische Ministerpräsident, die Bundeskanzlerin und auch der ehemalige EU-Parlamentsvorsitzende Poettering waren anderer Meinung. Vom Kirchentag gehe ein Glaubenssignal aus - so der CSU-Chef auf dem Kirchentagsempfang von CSU und CDU am vergangenen Freitag. Nach Diktatur und Krieg hätten sich die deutschen Christen in "ökumenisch verfassten Parteien" zusammengefunden, weil sie eingesehen hätten, daß die Zeiten des Konfessionellen vorbei wären. Man frage einmal Adenauer, ob er sich als Chef einer "ökumenischen" Partei gesehen hätte oder nicht vielmehr einer überkonfessionellen, was einen gewaltigen Unterschied ausmacht.

Denn im Unterschied zur selbst protestantisch alles andere als gefestigten aktuellen Bundeskanzlerin war sich der katholische Adenauer und dessen protestantische Parteikollegen ihres Glaubens sicher. Der Glaube war für sie kein beliebiges Werte-Einerlei, das man in einem gemeinsamen Topf kräftig umrührt, damit dann das, was die Kanzlerin als Kernbestand des Christlichen beschrieb, herauskäme - Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit.

Das Katholische bzw. Christliche wird auf einen weltlichen Gestaltungsauftrag reduziert - Mitmenschlichkeit, Nachhaltigkeit, Friede, Freude, Eierkuchen. So kann dann selbst die mittlerweile nicht mehr allzu christliche Politik der Unionsparteien das Christliche prägen, wie die Kanzlerin in gewohnter Platitüdenhaftigkeit meinte. So schön und wichtig das alles ist, verfehlt es doch das Wesen der christlichen Botschaft, die ohne das Transzendente eine Jungfrau ohne Kopf ist.

Freilich, nichts fürchtet der zeitgeistige Christ und Politiker mehr als für nicht weltlich, für fromm, also weltfern gehalten zu werden. Man müsse sich einmischen, man dürfe die Menschen nicht auf das Jenseits vertrösten, schallt es monoton auch aus den Pressestuben der Bischofspalais. Die Weltverliebheit, das Wellness-hafte, das ewige Wohlgefühlige, das wird vom Ökumenischen Kirchentag übrigbleiben, kein Glaubenssignal. Denn die Dauerfröhlichkeit, das "Sektenlächeln", von dem Mosebach spricht, hat mit dem wahren Wesen des Glaubens und der Kirche, mit dem Ernst der Entscheidung, vor der wir im Angesicht der ehrfurchtgebietenden Größe, aber auch der Barmherzigkeit Gottes stehen, nichts zu tun.

Mittwoch, 12. Mai 2010

ÖKT und andere Verwirrungen


Wenige Stunden bevor sich der Vorhang über dem religiösen Großereignis hebt ließ sich der evangelische Landesbischof vernehmen. Man sei hoffungsfroh, denn die Gemeinsamkeiten zwischen den Konfessionen seien doch groß. Den Menschen von heute seien die konfessionellen Unterschiede ohnehin nicht mehr zu erklären.

Hat man es denn versucht? Oder liegt das Problem nicht eher darin, daß man sich mittlerweile weniger als geistlichen Faktor, als Kirche denn als sozialpolitische Organisation sieht. Die Unterschiede müsse man begraben, so der Landesbischof, ansonsten werde man gesellschaftlich nicht mehr wahrgenommen. Die Kirche nicht als Heilsvermittlungsinstanz, sondern als weltliche Sinnvermittlungsagentur, die aus Tradition noch gewisse Transzendenzen mitschleppt.

Kein Wunder, kann man nur sagen, daß die Hirtenworte der Bischöfe ob protestantischer oder katholischer Couleur immer mehr nach den Programmpapieren der Bundespolitiker klingen. Man müsse mehr auf den sozialen Ausgleich achten. Der Staat dürfe nicht über seine Verhältnisse leben. Die Umwelt dürfe über allem Gewinnstreben nicht vergessen werden, usw. usf.

Die Politiker, die dafür gewählt sind, verlieren sich schon in allgemeinem Phrasendreschen, ohne daß ihnen der Wähler noch zutraut, etwas voranzubringen. Und nun verlegt sich auch noch das Kirchenpersonal, das niemand dafür gewählt hat, auf ein Feld, auf das sie nur begrenzten Einfluß haben, und läßt das im Stich, was ihre Kernkompetenz ist.

Aber diese Kernkompetenz sei ja nur Theologengezänk, das der heutige Mensch nicht mehr nachvollziehen könne. Man hört's und ist erstaunt. Daß Luther die römische Kirche angeklagt hatte, sie verfehle den Sinn der Heiligen Schrift, den die neue, protestantische Bewegung wieder freigelegt und damit den Menschen befreit hätte - davon kein Wort. Daß die Protestanten sich vom Heil entfernt haben, weil sie die Kirche, wie sie der Heiland wollte, ablehnen - davon hört man auch von den katholischen Bischöfen kein Wort mehr. Denn schließlich zählt viel mehr, daß man noch gesellschaftlich positioniert ist.

Kein Wunder, daß die Leute der/den Kirche(n) den Rücken kehren. Wer so mit seinem heilsgeschichtlichen Auftrag umgeht, den er noch vor kurzem mit aller Verve verteidigt hat, darf sich nicht wundern, wenn er unglaubwürdig wird - der selbstgemachte Abstieg von der alleinseligmachenden Lehre zur Parteimeinung.

Sonntag, 9. Mai 2010

Biedermänner und BrandstifterInnen


Wer nicht merke, daß die Massenmedien momentan eine Kampagne gegen die Kirche führen, der hätte Tomaten auf den Augen - so der Papst-Biograph und Bestseller-Autor Peter Seewald. Die Massenmedien wollen davon natürlich nichts wissen. Sie würden ja nur der Aufklärung dienen, so das scheinheilige Gerede der Biedermänner.

Wer die krassen Einseitigkeiten der Berichterstattung kritisiert, sieht sich schnell ins Aus gedrängt. Der ehemalige Sprecher Mixas, Dirk Hermann Voß, hätte in der "Katholischen Sonntagszeitung" ein "verquastes Rückzugsgefecht" geführt. Solchen konservativen Apologeten, die Mixa "weiter als Opfer einer Medienkampagne" verteidigten, stünden die Gläubigen gegenüber, die auf erhellende Antworten aus dem Domkapitel warten würden, heißt es in einem Kommentar einer großen süddeutschen Zeitung vom Wochenende.

Darauf brauchen die nicht mehr zu warten. Den Stab hat die Zeitung längst gebrochen. Die Überschrift eines Artikels lautet denn auch "Nun noch ein Verdacht auf sexuellen Mißbrauch" - so als wäre das Sündenregister schon lang genug. In den folgenden Artikeln verschwimmt der Verdacht unter der Hand zur Gewißheit. Diese Art journalistischer "Aufklärung" wird noch verschlimmert durch die Illoyalität und Selbstgerechtigkeit manches Klerikers, der nichts bessers zu tun weiß als seinen schon am Boden liegenden Oberhirten noch zu treten.

Von "unseligem Treiben" redet ein "Moraltheologe" von der Universität Augsburg. Eine Rückkehr Mixas läßt in einem Artikel zitierte Pfarrer "frösteln", denn dann ginge die Abstimmung mit den Füßen weiter: "Wir verlieren so viele Gläubige, dass wir unsere Sonntagsgottesdienste dann nur noch in der Seitenkapelle abhalten können". Was einen wirklich frösteln läßt ist die unchristliche Selbstgerechtigkeit, die aus diesen unerleuchteten, überheblichen Worten spricht. Für diesen Klerus ist es scheinbar besser, mit der Meute zu heulen, wenn man nur als geduldetes Anhängsel einer kirchenfernen Gesellschaft im Kirchenschiff bleiben darf.

Ob Mixa schuld ist, daß seine Schuld noch erwiesen werden müßte, daß das Verfahren erst eingeleitet wurde - das spielt alles keine Rolle. "Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet!" Daß eine kirchenfeindliche Medienmeute kein gutes Wort für einen Kirchenmann findet, der der modernen, verblendeten Gesellschaft, deren Sprachrohr diese Medien sind, immer wieder ins Gewissen redete, kann nicht verwundern. Aber daß aus den eigenen Reihen aus kleinlichsten Motiven geschossen wird, das ist und bliebt eine Schande.

Es kann auch niemanden verwundern, daß die ewig Kirchenbewegten, die "Kirchen-von-unten"-Krakeler und "Wir-sind-Kirche"-Hobby-Häretiker und die permanenten Gesellschaftsveränderer sich in unterirdischsten Anwürfen überbieten - nur der hysterische, maßlose Tonfall macht frösteln. So hatte doch die Grünen-Bundesvorsitzende Roth, die Mixa schon als "durchgeknallten Fundi" beschimpft hatte, die Stirn, von "einer nicht für möglich gehaltenen moralischen Verkommenheit und bodenlosen Scheinheiligkeit" zu reden - mit der Einschränkung, "wenn sich die jetzt erhobenen Vorwürfe" bestätigen würden. Das sagt ausgerechnet die Vorsitzende eines politischen Vereins, der jede moralische Verkommenheit vom Ruch des gesellschaftlich Anstößigen befreien will und das auch über weite Strecken geschafft hat.

Christian Weisner von "Wir sind Kirche" meinte in maßloser Selbstüberschätzung entsprechend dem anmaßenden Titel seiner "Reformbewegung", der gegen Mixa erhobene Verdacht sei "eine schockierende Nachricht". Sie werfe "dunkle Schatten auf die gesamte katholische Kirche in Deutschland". Hans-Ulrich Jörges vom "Stern" hatte unlängt von der Kirche als einer Verbrecherorganisation gesprochen. Peter Wensierski vom "Spiegel" hatte gefragt, wie lange der Staat sich noch eine fundamentalistische, Rom-ergebene und rückwärtsgewandte Kirche, wie sie sich der derzeitige Papst vorstelle, leisten wolle.

Das sind, wenn es nicht so platt wäre, die alten Parolen der uralten, verstaubten, aber heute wieder taufrischen "Los-von-Rom"-Bewegung, die fatale Jünger hatte. Gemeinsam ist ihnen allen der Haß auf eine Institution, die die ewige Wahrheit gegen den immer wieder auftretenden Wahn des Zeitgeistes verteidigt. Zu diesem Wahn gehört die flagrante Selbstgerechtigkeit, die jemanden schuldig spricht, nicht weil er schuldig wäre, sondern weil seine Ideen mißliebig sind. Das macht wahrhaft frösteln...

Sollte Mixa freigesprochen werden, wird sich irgendwo ein kleiner Eintrag im hinteren Teil jener Zeitungen finden, denen kein Grund zu billig war, einen verdienten Menschen, weil er Kirchenmann ist, öffentlich hinzurichten. Der Augsburger Diözesanratsvorsitzende Helmut Mangold, der freilich auch vorauseilend "schockiert" war, sagte richtigerweise: "Unabhängig davon, wie die Vorermittlungen ausgingen, bleibe allerdings sicher viel hängen."

Und nur darum geht es den "Aufklärern": Aliquid semper haeret!